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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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hinlegte, was ziemlich bekloppt ausgesehen haben musste! Als sie feststellte, dass es der Berliner war, der ohne zu blinken rückwärts aus einer Parklücke herausfuhr, hupte sie wild und lange. Sie sah den bösen Blick des Mannes im Rückspiegel, und übermütig ließ sie den Motor aufheulen, während sie dachte: ›Bleib du mal in Berlin!‹
    Als der Mann sie im Spiegel lachen sah, veränderte sich auch sein Blick. Er nickte selbstkritisch und winkte ihr sogar freundlich, ehe er losfuhr.
    ›Na gut‹, dachte Mathilde, ›kannst hier bleiben.‹
    Sie parkte wenig später das Auto in der Garage, ging durch den Wirtschaftseingang ins Haus und setzte sich mit dem Paket von der ›Hamburger Kunsthalle‹ aufs weiße Sofa. Was hatte sie mit Kunst zu tun? Nicht viel. Mathilde drehte das Paket ein paar Mal um, ehe sie schließlich das braune Klebeband mit dem Fingernagel aufzuschlitzen und abzupulen versuchte. Noch einmal stand sie auf, um eine Schere zu holen.
    Ein Katalog!
    Sie hatte es doch gewusst. Nur ein blöder Katalog mehr.
    Schon wollte sie ihn auf die alten Zeitungen werfen, als sie merkte, dass dieser Katalog veraltet war. Leicht vergilbt. Sie drehte ihn um, entdeckte die Jahreszahl neunzehnhundertsechsundachtzig.
    Drei Jahre vor der Wende? Aus Hamburg?
    Mathilde hob die Verpackung hoch, die auf dem Küchenboden gelandet war, und runzelte die Stirn, war das Paket selbst doch erst in dieser Woche abgestempelt worden.
    ›Philipp Otto Runge in seiner Zeit – Katalog zur Ausstellung vom 3. 1. bis 15. 5. 1986.‹ – Otto Philipp Wer ? Mathilde schlug das Buch auf und fand einen Brief. Nichts war mehr vom Ärger übrig geblieben, neugierig setzte sie sich an den Küchentisch und faltete das Papier auseinander:
    ›Sehr geehrte Frau Luise Rösch . . .‹
    Für ihre Tochter! Mathilde hob erneut die Verpackung auf und las aber ihren Namen auf dem Adressaufkleber. Das wurde ja immer merkwürdiger! Sie ließ die Pappe wieder fallen und las weiter:
    ›Sehr geehrte Frau Luise Rösch,
    wir bedanken uns sehr für Ihre Bestellung und teilen Ihnen hocherfreut mit, dass wir tatsächlich noch einige Exemplare des betreffenden Kataloges im Archiv fanden. Bitte überweisen Sie den fälligen Betrag von (umgerechnet) 54,80 Euro auf eines der untenstehenden Konten . . .‹
    Über fünfzig Euro? Luise! ›Man wirft doch kein Geld zum Fenster raus‹, durchfuhr es Mathilde: ›Das sind ja siebenhundertfünfzig Ostmark!‹
    ›. . . Wir bedanken uns für Ihre Bestellung und wünschen Ihnen bei der Ansicht der Arbeiten des größten deutschen Scherenschnittkünstlers, der von Goethe u. a. so hoch gelobt wurde, viele neue Eindrücke.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Dr. Dr. Angelika Schmidts,
    1. Archivarin der ›Hamburger Kunsthalle‹.‹
    Perplex ließ Mathilde das Papier sinken, das oben rechts ein schönes, buntes Logo hatte. Ihre Tochter! Was sagte man dazu? Mathilde schüttelte den Kopf und merkte, dass ihr ein paar Tränen in die Augenwinkel kamen. Dann erst entdeckte sie das PS:
    ›Sehr geehrte Frau Mathilde Rösch,
    wie uns Ihre Tochter mitteilte, die Ihnen diesen Katalog hiermit zum Geschenk macht, sind Sie eine große Meisterin des heute leider vergessenen Scherenschnitts. Auch wir möchten Ihnen mit ›STAGG‹ alles Gute wünschen. Brauchen Sie weitere Informationen, hilft Ihnen unser Servicepersonal gerne weiter. So haben wir beispielsweise in unserem Kupferstichkabinett 22 Schattenrisse aus Runges Familien- und Freundeskreis. Auch wissen wir von einer Privatsammlung mit rund einhundertfünfzig Silhouetten aus den Jahren 1798 bis 1810. Sie sehen: »Hamburger Kunsthalle, da bin ich richtig!« Bis dann!‹
    Gerührt wischte sich Mathilde die Tränen aus den Augen und strich über den alten Katalog. Also Luise! ›Was machst du nur immer mit deiner alten Mutter!‹, dachte sie und schlug das Schauwerk willkürlich auf:
    ›Schattenrisse, Scherenschnitte und frühe Zeichnungen.
    . . . Eine Art Nützlichkeit erhielt diese Beschäftigung durch Hervorbringung von zierlichen Leuchterbehängen (s. g. Lichter-Manschetten), auch Kränzen auf Kuchentellern, in Laub und Blumen ausgebildet, und damit hat er bis in sein letztes Lebensjahr so manche Freundin beschenkt; auch mit Ranken zu Strickmustern u.s.w. Besonders weiterhin in Hamburg schnitt der im pommerschen Wolgast Geborene Portrait-Köpfe und Figuren, sowie alles Denkbare aus, und verstieg sich bis zu den (in Konturen wenigstens) komponierten Landschaften, kam aber bald auf das

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