Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
Vom Netzwerk:
über das Loch, bringst den Blubber drauf, schäkelst ab, schäkelst die Platte an, ziehst die Platte weg, schnell weg! – Du musst dich beeilen, sonst wird die Platte so heiß, durch das Fett von unten, dass sie sich verformt. Verformte Platten kosten eine Runde Rum im Hafen! Also eigentlich kannst du dir auch Zeit lassen!«
    Der Bootsjunge nickte, ging zu der Platte, die er vorher nicht gesehen hatte, und zog sie auf Knien bis zum Loch. Dann schob er sie von der einen Ecke der Deckluke nach und nach rüber, so dass die Platte immer auf zwei Seiten gehalten wurde. Jetzt lag sie schräg über dem Loch, der Qualm drängte sich an den Seiten vorbei, doch Tommy war schon wieder bei der Winde und brachte den Blubber auf die Platte.
    Schnell hatte er ab- und wieder angeschäkelt, und als sich die Platte mit einem Krachen zu ihm bewegte und der tonnenschwere Blubber in den Kocher plumpste, machte der Bootsjunge eine Beckerfaust und sah sich freudestrahlend um. Doch niemand hatte auf ihn geachtet. Selbst Sir hatte ganz plötzlich etwas anderes zu tun. Doppelbläser rollte das Stahlseil ganz auf, bis zum Schäkel, an dem er die Platte beließ, und stellte den Motor der Winde aus. Er ging zur Luke und sah in den Kocher. Da lag seine zweite Arbeit im drei Meter hohen, zylindrischen Kessel, der mit Dampf geheizt wurde. Da lag nicht nur der Blubber , auch Knochen und Fleisch, alles, was auch nur eine Lache Öl brachte, wurde dort verkocht, so dass schließlich der ganze Wal nach und nach in diesem Druckkocher landete. Nach dem Sieden werde er zentrifugiert, wusste Tommy, um das Öl endgültig vom Speck zu trennen. Zurück bleibe nur der Grax , der getrocknet und in Säcke gefüllt werde; und alles in fünfundvierzig Minuten, dann sei der Wal gänzlich verschwunden.
    Tommy lächelte und spuckte in das sich verflüssigende Fett. Eine Wolke stinkender Gase stieg auf und ließ Tommy zurückschrecken.
    Langsam ging er über die mit Eis überzogenen Metallplanken und klarte mit den anderen Männern das Flensdeck auf. Er nahm schließlich seinen nun eingeweihten Flensspaten und stellte ihn zu den anderen in den hohen, schmalen Metallschrank, der sich an der Wand der Deckaufbauten befand. Die Tür wurde geschlossen und mit einem Bolzen, der an einer Kette hing, verriegelt, ehe der Vorarbeiter sagte: »Das Küken holen wir uns nach einer Kaffeepause. Zehn Minuten aufwärmen! Ab!«
    Als Tommy mit den anderen Walfängern nach unten ging, wurde er von Luise im Längsgang angerempelt. Sie bedeutete ihm mit einem Nicken, ihr zu folgen, aber er schüttelte den Kopf und ging weiter. Schweren Herzens natürlich, aber was sollte er machen? Er musste aus den Walen Grax herstellen, damit sie weiter ihren Job machen konnte!
    Genau, so könnte er es ihr erklären! Er wusste, Grax habe heute nur noch einen einzigen Verwendungszweck. Dank der Hydrierung des Öls, die einst ein Deutscher erfunden habe, könne man aus tierischen Ölen feste Fette machen. Aus diesen Fetten werde zwar auch Seife und Margarine hergestellt, aber der wertvollste Teil sei heute doch das Nebenprodukt dieses Hydrierungsvorganges: Glycerin! – Und Glycerin sei die Grundlage für Nitroglycerin, und Nitroglycerin die für Dynamit, und Dynamit die für Kriege!
    Das müsse Luise verstehen, meinte Tommy und lächelte, gefiel ihm doch der Gedanke, er liefere die Grundlage für ihr Berufsleben.
    Heute wurden Wale nur noch gejagt, um dieses Glycerin zu bekommen. Kein Mensch wusch sich mehr mit Walseife, kein Mensch aß mehr Walmargarine, aber Waldynamit, das war noch immer begehrt! Luise werde es verstehen, war Tommy sich sicher. Sie werde verstehen, wenn er hier nicht ständig turteln könne. Der Bootsjunge stellte sich in die Reihe der stiernackigen und nach Blut stinkenden Männer und nahm zum Kaffeepott noch eine Schale Suppe, die ihm der Smutje geradezu aufdrängte.

Teil 3
    Den richtigen Platz auf See zu finden, sei für jeden Fischer überlebenswichtig, wusste der Funker der Saudade , und während bei Spitzbergen auf der Rimbaud Wale erlegt wurden, fluchte er nun schon den dritten Tag hintereinander. Wo stand der Rotbarsch? Wo steckte er? Sollten sie das Fanggebiet vor der Ostküste Kanadas verlassen? Er hörte rund um die Uhr die verschlüsselten Fanginformationen der Russen, Briten, Norweger und Japaner ab, aber es gab da nichts aufzugreifen! Alle suchten den Fisch, der wie verschluckt schien, und der Funker bekam eine Ahnung davon, wie es sein werde, wenn die Ozeane erst

Weitere Kostenlose Bücher