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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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metallene Geräusche, die sich, aus dem Inneren des Schiffes kommend, in der jaulenden See verloren. Tommy grinste abfällig und wischte sich Rotz von der Nase.
    »Komm her, Doppelbläser !«
    »Bin ich doch!«
    »Hieb drauf ein und bring es zum Kocher!«
    Der Vorarbeiter zeigte auf ein tonnenschweres Stück Blubber , das noch mit einem Fetzen Haut am Walkadaver hing. Doppelbläser nickte, verschaffte sich einen festen Stand und holte aus. Er schlug drei Mal umsonst mit dem Spaten auf den Fetzen ein, doch dann hatte er die Haut durch. Tommy grinste nicht, er sah sich nicht um, er wartete auf keinen Beifall, er maß einfach das Deckstück und schätzte es auf die Größe eines halben Fußballfeldes und auf die Dicke einer Hochsprungmatratze. Er entschied sich nach dem Dreißiger-Schäkel zu suchen, der Fünfzehner würde wohl kaum reichen, um das Stück zur Decköffnung zu bringen, um es dort in den Kocher fallen zu lassen.
    »Na los, anschäkeln und mit der Bibelwinde ab!«, schrie ihn Güni an, aber Tommy erwiderte: »Am Arsch! Ich nehme die Pferdewinde ! Verarsch dich selber!«
    Der Vorarbeiter sah kurz auf, maß das Stück mit den Augen und nickte, ehe er weiterarbeitete, während Tommy zum u-förmigen Schäkel ging, der mitten auf dem Flensdeck lag. Er schraubte den Bolzen aus den Enden, steckte ihn sich in die Brusttasche und zog den Dreißiger-Schäkel mitsamt dem armdicken und in sich gedrehten Stahlseil zum Stück Blubber . Er kniete sich hin, schnitzte und stach mit dem Flensmesser ein Kreuz in Fett und Haut, sechzig Zentimeter vom Rand entfernt, wie vorgeschrieben, und steckte dann den Schäkel durch. Tommy schraubte den Bolzen wieder durch die Enden des eisernen U’s und ging schnell zur Winde, die sich an der Seite der Heckaufbauten befand. Der Schalter baumelte herunter. An ihm fanden sich zwei Knöpfe, die kaum noch zu unterscheiden waren. Welcher war einmal rot und welcher schwarz gewesen? Gute Frage, Tommy putzte an ihnen herum, bis er sich sicherer war. Er konzentrierte sich auf den schwarzen, drückte ihn, aber nichts geschah. Nervös sah der Bootsjunge hoch, aber keiner der Männer beachtete ihn. Nur der Kapitän stand da oben auf der Brücke und sah ihm zu. Fast hätte Tommy ihn gegrüßt, unterließ es dann aber und sah sich wieder den Schalter an. Und nun entdeckte er auch den kleinen Hebel! Vier Positionen, und nun war ihm alles klar. Wie beim Computerspiel! Er drückte wieder den schwarzen Knopf und betätigte dabei den Hebel vorsichtig zu sich hin. Sofort wurde das Stahlseil aufgespult und das Deckstück zu ihm hingezogen. Mit leichten Bewegungen des Zeigefingers brachte der Junge das riesige Stück genau auf Kurs. Es kam der Öffnung im Deck immer näher, nur schade, dass das nicht schneller ging! Fast gelangweilt sah der Bootsjunge zu, ehe er mit der Faust auf den einst roten Halteknopf schlug: Würde das Fettstück den Schäkel nicht mitsamt Stahlseil und Winde mit sich in den Kocher ziehen? Er musste vorher abschäkeln, aber wie dann weiter?
    Erst einmal holte er das Fettstück so dicht wie möglich zum Lukenloch, dann drückte er wieder auf ›Stopp‹ und sah sich um. Brüllen war zwecklos, der Wind riss die Worte wie Stofffetzen mit sich. Doppelbläser sah sich Hilfe suchend um, doch keiner hatte Zeit für ihn. Sie keuchten und schwitzten alle.
    Schließlich sah er nach oben, wo wie ein Gott der Kapitän stand und ihn musterte. Tommy sah ihn an und zuckte mit den Schultern. Er sah wie Sir ein Fenster öffnete und die Flüstertüte in die Hand nahm: »Guter Rat teuer, was?«
    Tommy nickte.
    »Dafür hat Gott die Metallplatte erfunden!«, sagte der Kapitän, nahm die Flüstertüte wieder von den Lippen, schloss das Fenster der Brücke und sah ihm weiter zu.
    Metallplatte? Zwar nickte Tommy, aber den Sinn dieses Satzes begriff er nicht. Was für eine Metallplatte, verdammt noch mal? Im Kopf oder was? Metallplatte! – Und warum, verdammt noch mal, hatte er keine Flüstertüte ? – So weit, so gut, aber wie weiter? – Er hatte keine Ahnung! Dabei drängte die Zeit, der Kocher durfte nicht in den Leerlauf kommen. Tommy hatte zwar das letzte Stück zu verarbeiten, es drängte ihn niemand, aber vorwärts kommen musste er trotzdem. Nein, er sah sich zwar noch einmal auf dem Deck um, aber ihm fiel keine Lösung ein. Er ließ den Schalter fallen, so dass dieser an der Winde baumelte, und ging zum Vorarbeiter, der ihm wenig später zubrüllte: »Du schiebst die Metallplatte da von backbord

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