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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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worden, wie viele Walfänger waren nicht verbrannt! Siebzehn Mal mehr als ertrunken! Das Feuer sei der Feind des Seemanns, nicht das Wasser, ging es Doppelbläser durch den Kopf, ehe er sich erinnerte, dass der Pottwal aber eigentlich wegen des kostbaren Kopföls gejagt und ausgerottet worden war. Dieses geheimnisvolle Kopföl, von dem die Wissenschaftler heute noch nicht wussten, woher es komme, woraus es sei, wofür es sei. Ein absolut reines Öl, das sich nur im Kopf befand. Man ahnte, es könne so etwas wie das Navigationssystem des Wals sein, ähnlich einer Wasserwaage, in der die gefangene Blase die Balance anzeige. Dieses reine Öl brauchte nicht erst aus dem Blubber gekocht zu werden, da reichten zwei Mann aus, die ein tiefes Loch ins Hirn des Wals bohrten. Der eine Mann stieg später hinein, verschwand gänzlich darin und reichte dem anderen Mann die am Seil hängenden Eimer hoch, in denen sich das geheimnisvolle Elixier befand. Vorsichtig schöpften sie, wobei der Mann, der das flüssige Gold sachte in einen Bottich füllte, genau zwischen den toten Augen stand. Dieser Bottich wurde gesondert aufbewahrt – Goldbottich genannt. Und der Mann, der wieder aus dem Walkopf herausstieg, den nannte man Jonas !
    So sei die wahre Geschichte von Jonas verlaufen, der in den Wal gestiegen sei, um Gold zu finden. Ein öliges Gold, das ihm erlaubt habe, Zwiesprache mit dem Schöpfer aller Schöpfenden zu halten. Jonas, der im lebenden Abbild Gottes mit Ihm selbst gesprochen habe, glaubte Doppelbläser und nickte versonnen, ehe er hörte, dass er gerufen wurde.
    »Hier, nimm die Eimer und bring sie in die Hauptlast!«, sagte der Vorarbeiter der Flenser: »Aber vorsichtig, ist Gold drin!«
    Haben denn Blauwale auch Kopföl?, wollte er fragen, unterließ es dann aber und nahm dem Mann die beiden Eimer ab.
    Was da in den Eimern war, sah auch überhaupt gar nicht nach Gold aus. Auch nicht nach Öl! Es sah nach gar nichts aus! Grau; eine zähe, gräuliche, stinkende Flüssigkeit mehr, meinte Tommy und stieg die Stufen des Niedergangs hinunter.
    »Wo soll das Zeug hin?«, fragte er den Smutje, der ihm auf dem Längsgang entgegenkam.
    »Was ist das?«
    »Weiß nicht. Was Graues!«
    »Na, wenn du nicht weißt, was es ist, dann kann ich auch schlecht wissen, wo es hin soll, Doppelbläser !«
    Tommy nickte und schlängelte sich am dickbäuchigen Mann vorbei, der seine Vormittagszigarette in die Pütz drückte und wieder in der Kombüse verschwand; kopfschüttelnd, wie Tommy noch sah.
    Und er? Jetzt stand er mit diesen blöden Eimern mitten im Schiff und hatte keine Ahnung. Wunderbar! Toll! Oder wie sein Vater jetzt wohl sagen würde: ›Dummheit kann man benutzen, aber ausrotten kann man sie nicht.‹
    Hauptlast, der Vorarbeiter hatte gesagt, er solle es in die Hauptlast bringen. Vielleicht aber war die Hauptlast gar nicht im Hauptschiff? Vielleicht war das sein Denkfehler? Tommy ging zum Schwarzen Brett und dachte: ›Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo alles steht!‹
    Tatsächlich hing eine alte, vergilbte und fast schwarze Kopie an der Informationstafel, auf der die Notausgänge des Schiffes und die Wege dorthin verzeichnet waren. Unter der Skizze von der Rimbaud , die früher mal Harry IV geheißen haben musste, war eine Legende mit den wichtigsten Räumen und Aufbauten des Schiffes. Die Hauptlast war schon im Hauptschiff, soweit richtig, und zwar genau unter der Kombüse und der Messe – allerdings gelangte man zu ihr nur durch den Heizergang. Und der befand sich unter dem Längsgang, auf dem Tommy sich gerade befand, doch was noch blöder war: In den Heizergang gelangte man nur über das Heizerschott. Und das Heizerschott befand sich am Heck des Schiffes und war nur von außen zu erreichen. Was waren die verdammten Eimer auch schwer! Die Flüssigkeit schwappte träge hin und her, am liebsten hätte Tommy die Eimer kurz abgesetzt, aber dann würden sie ja umkippen. So konnte er den Seegang wenigstens noch mit den Armen ausbalancieren, die ihm wie lose Tampen an den Schultern hingen, mit denen er abwechselnd an der Wand lehnte oder sich von der gegenüberliegenden abstieß.
    »Shit!«, fluchte er und verpasste der verblechten Wand einen Tritt – mit der Pike! – so dass er noch einmal, diesmal aber wütender, fluchte. Tommy machte sich auf den Weg zurück zum Niedergang, hoch die Stufen, durch das Außenschott zum Heck, wo der Vorarbeiter gerade auch fluchte, und hinein ins Innere des Schiffes durch das

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