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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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kleinere Schott, das sich neben dem befand, durch das er gerade gekommen war.
    Hier war es dunkel. Drei Notlampen gaben spärlich rötliches Licht ab. Die Wände des Gangs waren nicht verblecht, oder waren sie nur vom schwarzen Getriebeöl und vom Diesel völlig verschmiert? Tommy wollte es im Augenblick gar nicht wissen. Jetzt wollte er nur gerne diese verdammten Eimer loswerden! Wer hätte gedacht, dass das so eine Plackerei werden würde, er bestimmt nicht. Shit! ›Zwei Eimer, ich habe zwei Eimer zwanzig Meter weit getragen und dafür eine Stunde gebraucht‹, dachte er und grinste verächtlich.
    Backbord erstes Schott, zweites Schott, drittes Schott! Endlich! Er stellte einen Eimer ab, rückte ihn von der Tür weg und riss wenig später an ihr, weil er meinte, sie sei schwer und vielleicht sogar verrostet. Doch zu seinem Erstaunen gab sie sogleich nach und knallte ihm gegen die Zehen des anderen Fußes, so dass er erneut fluchte: »Shit, Shit und Doppelshit!«
    »Lieber arm dran als Bein ab«, kam es von innen: »Gib her das Zeugs!«
    Ein Männchen, krumm wie Rumpelstilzchen, kam aus der Dunkelheit. Ein langer Bart, und große, mit Dreck beschmierte Hände wurden Doppelbläser entgegenstreckt. Tommy erschauderte ein wenig, und bereitwillig übergab er die beiden Eimer.
    ›Was war das denn gewesen?‹, dachte er, als er den Niedergang hochstieg und wenig später das Außenschott öffnete: ›Was für ein armer Teufel! Hoffentlich bekomme ich dem seinen Job nie, auch wenn ich als Azubi alles kennenlernen soll. Sah ja aus wie ausgekotzt! Wie ein Jonas !‹
    Tommy schloss die Außentür und wunderte sich, wie schnell es hell geworden war. Er suchte den Vorarbeiter und meldete sich bei ihm mit den Worten, die sein Vater ihm eingeprägt hatte: »Erledigt den Scheiß!«
    Die Walklaue war schon abgenommen worden, der Kadaver lag zur Gänze auf dem Flensdeck, und um das Loch im Walkopf kümmerte sich niemand mehr.
    »Ja, was machen wir mir dir nun?«, fragte sich der Vorarbeiter und hielt einen Moment lang inne, während Tommy daran dachte, dass man zu Zeiten der Segelschiffe noch vier Tage gebraucht hatte, um einen Wal zu zerlegen und zu verarbeiten. Heute schaffte man es in fünfundvierzig Minuten, und Tommy freute sich auf die bestimmt bisher schwersten fünfundvierzig Minuten seines Lebens. Also, was sollte er tun? Ungeduldig sah er den Vorarbeiter an, der wohl den Blick spürte, als er sagte: »Ja, ja, ich überleg ja schon.«
    Doppelbläser hielt seinen nagelneuen Flensspaten in der Hand, die zehn Flenser standen schon auf dem Wal, und überall entwich Dampf aus den Kocherrohren, die aus dem Unterdeck kamen und mit deren bogenförmigen Enden das ganze Oberdeck bestückt war; beste Stolpersteine, wie Doppelbläser schon gemerkt hatte. Jedes Tau, jede Relingstange, jeder Draht war schon mit Rauch bedeckt, der sofort zu einer dicken Schicht aus grauem Reif und schwarzem Eis wurde. Und natürlich waren die stinkenden Gummianzüge der Männer schon alle mit dieser Schicht überzogen, nur sein eigener noch nicht! Tommy hörte, wie diese Gummianzüge bei jeder Bewegung knirschten und knackten, ein maschinengewehrartiges Geräusch, das er auch durch das Heulen und Jaulen des Windes hindurch hörte. Wie schwer es wohl war, in so einem vereisten Gummi zu arbeiten? Oder sich auch nur zu bewegen? Ungeduldig forderte Tommy den Vorarbeiter mit einem Kopfnicken auf, ihn endlich einzuteilen, verdammt noch mal! Die Männer durften auf dem dampfenden Leib des Wals stehen, und er? Jetzt stellte Doppelbläser fest, dass die Verarbeiter sich immer in der Nähe der Wunden aufhielten, die sie gerade mit ihren alten Flensspaten aufgerissen hatten. Sie pellten die Haut und den Blubber ab, blieben aber immer dort stehen, wo sie zuletzt gearbeitet hatten, immer an der Stelle, wo Wärme aus dem Kadaver strömte! Ha! Tommy grinste, wusste er doch wieder was, was er sich nicht zu erfragen brauchte. Er brannte darauf, endlich dazuzugehören, er wollte wie sie dort oben fluchen und arbeiten, arbeiten und fluchen, verdammt noch mal, was sollte denn dieses Rumeiern? Er wollte auch auswaiden, sich mit Blut und Fett bespritzen, die scharfe Klinge durch die zähe Haut schneiden und den Blubber hervorhebeln, während von der Vorpieck her Hammerschläge übers Schiff hallten! Hammerschläge? Doppelbläser brauchte einen Moment, bis er begriff, dass der Chefharpunier neue Widerhaken für die nächsten Harpunen schmiedete und vorbereitete. Dumpfe,

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