Letzte Fischer
Garde und der Welt , da bekamen die Westdeutschen zum ersten Mal richtig Schiss, die mit ihrem Wirtschaftswunder, gemacht in den USA! Wir hatten alles selbst hingekriegt! Niemand half uns, die Sowjets nahmen uns noch die Hälfte ab, trotzdem haben wir uns durchgebissen. Und dann diese beiden Supertrawler! Absolute Weltspitze. Gagarin ins Weltall, Armstrong auf den Mond, aber die kleine DDR beherrschte die Ozeane! – Ich will aber nicht die Seenot knapp ein Jahr nach dem Stapellauf verschweigen. Da stand der Atem der ganzen Republik still, ich weiß es noch wie heute, es war der Frauentag im Jahre achtundsechzig. Unsere schwimmende Fabrik versorgte ja immerhin zehn Prozent der Bevölkerung. Eiweiß ist wichtig für den Menschen. – Eingeschlossen, wir waren vom Eis eingeschlossen. Fünfundfünfzig Grad fünfzig Minuten Nord und siebenundfünfzig Grad sechsunddreißig Minuten West, also hier in der Nähe. Labrador. Zwei Tage eingeschlossen! Der Wind kam Nordnordwest, Stärke acht, Seegang sieben, weiß ich alles noch, und wir drifteten hilflos mit dem Packeis mit. Ich war unten am Fließband Makarenko , als es passierte. Wir waren auf Dorsch. Der Strom setzte südöstlich. Oben war starkes Schneetreiben zwischen dem Packeis. Sichtweite fünf Kabellängen, nicht mehr. Was bleibt dir bei neunhundert Metern Sichtweite, wenn das Schiff gute hundertvierzig Meter lang ist, an Zeit zum Reagieren? Aber wir mussten ja an der Eiskante fischen, weil der Dorsch ein gewiefter Hund ist! Der hat gelernt! Lockeres Treibeis um uns herum, was nicht gefährlich war. Gefährlich wurde es erst in den Abendstunden des achten März, als der Steertstrander in die Schraube geriet. Fünf Meter Durchmesser diese Schraube! – Ja, da waren wir dann plötzlich manövrierunfähig und mitten im Treibeis. Von riesigen Eisbergen brauche ich dir ja gar nicht erst groß was zu erzählen. Jedenfalls, die Z-Trawler Elvira Eisenschneider und Artur Becker kamen sofort, wollten als Schlepper fungieren, gelang aber nicht wegen schlechtem Wetter. Ja, in den Morgenstunden gelang es uns dann selbst, die Schraube wieder freizukriegen. Mit Hilfe der Törnmaschine konnte der Strander wieder aus der Schraube herausgedreht werden. Aber leider war die Eisdrift mittlerweile so stark geworden, dass wir im Packeis festsaßen und es den starken Motoren nicht mehr gelang, das Schiff freizubekommen. Dazu die Eispressung. Der Druck von außen steigerte sich im Minutentakt. Und dann die Botschaft: ›Wassereinbruch im Maschinenraum!‹ Die Rettungstrupps sind sofort runter, und alles in einem krängenden, sich neigenden Schiff, umgeben von Hunderten von Packeisschollen! Da wurde die Bordwand doch plötzlich wirklich noch aufgeschlitzt! Von so einer verdammten Scholle. Oder einem Eisberg. Backbord, von Spant vierundachtzig bis achtundachtzig, also genau in Höhe der Schalttafel für die Motoren. Prompt fiel auch die gesamte Energieversorgung aus. Die Hauptmaschine konnte wegen Wassereinbruchs nicht mehr repariert werden, ich meine, so blöde kannste gar nicht denken, wie es manchmal kommt! Natürlich auch der Notdiesel ausgefallen, weil die Füllleitungen der Luftdruckflaschen im Bereich des Lecks gebrochen waren, und somit waren die Anlassluftflaschen leer! Ausweglos! Verlassen des Schiffes in wenigen Minuten! Siebenundfünfzig Millionen Dollar am Versinken! Zehn Prozent der DDR-Bevölkerung am Verhungern! – Meinst du? – Glaubst du? – Falsch! – Dem Vierten Ingenieur kam die rettende Idee! – Simpel, einfach die Druckluftflaschen der Taucherausrüstungen anschließen! – Funktionierte! – Der Notdiesel sprang an, und ab acht Uhr vierunddreißig lieferte er wieder Energie für Beleuchtung, Heizung und für die so wichtige Lenzeinrichtung. – Aber die Haupttafel stand noch immer unter Wasser. Was machen? Ruhe behalten! – So ein Notdiesel hält auch nicht ewig. Der Funker sendete SOS, die nahenden Schiffe waren aber jetzt sechzig bis achtzig Seemeilen entfernt. Um sechzehn Uhr war dann unsere Schwester da. Die Junge Welt . Sie hatte ordentlich Spiet gegeben und war wie ein Eisbrecher voll in die Eisberge vor uns gerammt. Wie eine Furie! Prachtvoll! Gut, so eine Schwester zu haben. Sofort versuchten wir, eine Schleppverbindung herzustellen. Wie die Tiere wollten wir es, aber uns gelang es nicht! Wir konnten die Stahlseile nicht weit genug werfen, beziehungsweise nicht gut genug auffangen. Sturm, Schneetreiben, der ganze Mist kam zusammen, obwohl an beiden Decks
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