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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Erich Weinert in Spanien verschrottet, Willi Bredel in der Türkei verschrottet, Reutershagen dreiundneunzig nach Griechenland verkauft, Evershagen nach Tortola, Junge Welt neunzig in Pakistan verschrottet, und, und, und: Die modernste Hochseefischereiflotte der Welt wurde nun selbst abgeschlachtet, von Verbrechern der ›Treuhand‹! Nur, weil die im Westen Schiss hatten vor uns. Vierzig Schiffe, eine gesamte Flotte ohne Not zu verschrotten, das ist brutal. Geachtet auf dem ganzen Weltmeer, einst! Vierhunderttausend Hochseefischer wurden arbeitslos. Und wie viele in Westdeutschland bei der so genannten Wiedervereinigung? Nicht einer. Heute gibt’s nur noch die Junge Garde als Saudade und auf ihr den uralten Richard , der nichts vergessen hat! Gar nichts! Ich bin der letzte DDR-Hochseefischer. – Was meine Kollegen durchgemacht haben, ich will es nicht wissen. Seemannstränen bringen noch jeden Kahn zum Kentern! All die Kollegen und Kolleginnen! – Na ja! Na ja, jetzt kommen sowieso die Fischfarmen. Da braucht man keine Hochseefischer mehr. Nur Taucher, die runtergehen und abfüttern, bevor der Fisch mit langen Saugpumpen direkt zu den Fischfabriken an Land befördert wird. Durch Rohre aus den Ozeanen! Wie bei Legebatterien, nur dass man auf den Fisch keine Rücksicht wie bei den Eiern nehmen muss. Die Farmen in der Tiefsee müssen lediglich hin und her bewegt werden, weil der Fisch im eigenen Kot nicht überlebt. Da fressen ihn die Bakterien auf. Und ihm bleibt auch nur noch der ›Traum von der Freiheit‹, gefangen in seinem eigenen Meer! – Bald sind die Ozeane frei von Fisch, und dann gibt’s nur noch Fischgefängnisse, dann braucht es eh keine Hochseefischer mehr. – Das werde ich aber nicht mehr mitbekommen, weil ich hier auf der Jungen Garde verrecken werde. Wenn sie das Schiff verschrotten, die Portugiesen, dann müssen sie mich mit verschrotten. Oder ich bin dann schon über Bord und Fischfutter, falls es da gerade Fisch gibt, wo ich über Bord gehe. Ha, ha, ha«, lachte uralter Richard und sah Robert mit leicht wirrem Blick an: »Aber was dann aus dir wird, Kollege, wenn die Ozeane leer sind? Keine Ahnung!«
    »Lass das mal meine Sorge sein!«, sagte Robert Rösch und stand auf: »Los jetzt! Erstmal machen wir wieder Filets. Wird Zeit!«
    Und während uralter Richard von Robert hochgezogen wurde, sprach der Funker den Spruch des Alten ins Mikrophon: »Singt – stopp – Die ›Internationale‹ – stopp – an meinem Grabe – doppelt stopp.«
    Er stimme der Scheidung nicht zu, sie hätte doch wissen müssen, was eine Seemannsbraut erwarte, gab der Funker die Antwort des Kapitäns durch den Äther, als dieser auf dem Dach der Brücke den Seestecher schärfer stellte. Der Kommandant nahm das Walkie-Talkie aus der Gürteltasche und sagte: »Kursänderung. Drei Strich backbord. Alle Maschinen stopp!«
    »Aye, aye, drei Strich backbord, alle Maschinen stopp«, schnarrte es zurück, während Haudegen die letzten Trennmesser bearbeitete, wobei die Funken übers Metalldeck stoben und ein Kreischen sich über die See legte, das die Männer kaum aushalten konnten. Doch sie hielten aus, und schließlich hatte Haudegen all die Messer mit den Griffen wieder in die fordernden, aufgedunsenen, vernarbten, verätzten und lederhäutigen Hände gelegt.
    Zum letzten Mal kreischte die Maschine auf und machte die Verarbeiter und Deckleute damit noch wilder. Plötzlich wurden wie auf ein Zeichen hin hundertfünfzig Messer hochgehalten. Ein Wald von geschärftem Stahl, der das Licht bündelte und zurückwarf, weit in der Unendlichkeit der See sichtbar.
    Die Männer spürten den Stillstand des Schiffes, sie lauerten, hielten hin und wieder den Atem an und schalten sich Trottel, als sie es bemerkten, doch schien es ihnen diesmal keine hohle Hoffnung zu sein.
    Während der Hauptmaschinist den Marlspieker des zweiten Bootsmanns per Hand mit der Feile spitzte, damit der den Steertknoten später auch wirklich gut öffnen konnte, während Haudegen also Späne wegpustete und das Metall sorgfältig von allen Seiten begutachtete, knackten plötzlich die Bordlautsprecher: »Männer! Der Fisch ist vor uns! Wir haben ihn! An die Netze! An die Fließbänder! Kühllasten leeren und Frischwassertanks auffüllen. – Der Kapitän.«
    Nicht ein Schrei war zu hören, nicht ein Funken Freude brach aus den Männern heraus. Schweigend und mit gesenkten Köpfen gingen sie zu den Außenschotts, um ja nicht das befreiende Lächeln zeigen zu

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