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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Nordrussen durch einen Spalt in der Schanzverkleidung zu, bevor er den Kopf drehte und das Fangdeck musterte, wo die ersten Männer ein Spiel absolvierten. Apathisch verfolgte er den mit einem Seil am Netz verbändselten Ball, registrierte die langsamen Bewegungen der sechs Männer, die einen Punkt lieber verloren gaben, als groß hinter dem Ball herzuhechten, so dass das Spiel ausgewogen blieb und selbst für den trägen Kanadier nicht zu schnell wurde.
    »›Zum Teufel mit dem Glück, sagte der Junge. Ich werde das Glück mitbringen!‹«, zitierte Kanadier frei aus dem Buch, das er schon achtzehn Mal gelesen hatte: »›Er spie in den Ozean und sagte, fresst das, galanós, und träumt, dass ihr einen Mann getötet habt. – Ich wünschte, ich hätte den Jungen da. – Es kann ein Marlin oder ein breitmäuliger Schwertfisch oder ein Hai gewesen sein. Ich hab ihn nicht gefühlt. Ich musste ihn zu schnell loswerden. – Ich wünschte, ich hätte den Jungen da. – Niemand sollte im Alter allein sein, dachte er. Aber es ist unvermeidlich. – Aber ich bin mit einem Freund zusammen. – Jetzt werde ich mich um meine Arbeit kümmern, und dann muss ich den Thunfisch essen, damit mir die Kräfte nicht versagen. – Wie geht’s dir, Hand? Oder ist es zu früh, um es zu wissen? – Hab Geduld, Hand, sagte er. Ich tue dies für dich. – Ich wünschte, ich könnte dem Fisch was zu fressen geben, dachte er. Er ist mein Bruder. Aber ich muss ihn töten und bei Kräften bleiben, um es zu schaffen. – Ich wünschte, ich hätte den Jungen da. – Aber ich werde ihn töten, sagte er. In all seiner Größe und Herrlichkeit. – Ich habe dem Jungen gesagt, dass ich ein merkwürdiger alter Mann bin, sagte er. Jetzt ist der Augenblick, es zu beweisen. – Denk jetzt nicht, alter Freund, sagte er zu sich selbst. Lehn dich jetzt friedlich gegen das Holz und denk an nichts. – Er arbeitet. – Tu so wenig wie möglich.‹«
    Kanadier sprang mit einer einzigen Bewegung aus dem Liegestuhl, wobei ihm ein wenig schwindlig wurde, hielt sich an der Reling fest und schloss die Augen, während er aus Leibeskräften vom Trawler Saudade aus über die spiegelglatte See schrie: »›Ich wünschte, ich hätte den Jungen da!‹«
    Doch die Worte würden auf der See nur ausrutschen und zum Horizont schlittern, meinte er, während der Funker den Satz des Kanadiers in den Äther diktierte: »Mein geliebter Sohn! – stopp – Nun bist du heute sieben Jahre geworden! – stopp – Und ich bin so stolz auf dich. – doppelt stopp!«
    Die Volleyball spielenden Männer hielten inne und jener, auf den der Ball zukam, baggerte nicht, sondern fing ihn auf. Er meinte, Recht habe Kanadier , er habe auch so ein Gefühl.
    Seine Kameraden nickten und gingen daran, das umfunktionierte Fangnetz, das sie Kate Moss getauft hatten, wieder abzuknoten und zusammenzulegen. Sie banden das Ballnetz vom Spielnetz, holten das fünf Meter lange Seil ein, das beide Netze verbunden hatte, und nahmen schließlich den Ball aus dem selbst geknüpften Netz heraus. Sie verstauten alles und gingen in die Vorbereitungsräume der Verarbeitungshallen und Vermehlstationen, um ihre Messer zu holen.
    Auch die drei Deckarbeiter hörten auf zu spielen. Sie hatten am Heck des Schiffes gestanden und mit einem Wurfleinenknoten auf eine angebundene Boje gezielt, wobei jeder drei Versuche und dreißig Sekunden Zeit gehabt hatte. Sie brachten die riesige Boje zurück in die Fenderlast, die sich neben dem Kettenhaus des hinteren Steuerbordankers befand.
    Unter den Vorbauten krochen sie hervor, aus den Kojen rollten sie sich, von den Raucherzonen und Messen entfernten sie sich, aus allen Winkeln strömten die knapp hundertachtzig Männer zum Bug. Kein Wort war durch die Bordlautsprecher gedrungen, doch bald standen sie alle vorn und sahen abwechselnd vor sich in die See oder nach oben zum Kapitän.
    Die Verarbeiter hatten ihre Schlitzmesser dabei, die Vermehler ihre Schabmesser, und als Haudegen mit seiner Maschine aufs Oberdeck kam, da trat Stille ein, und schnell wurde um ihn ein Kreis gebildet. Er zog die drei Standbeine fest, verschraubte sie mit den Planken, holte sich Strom, setzte die Brille auf und sagte: »Und man darf niemals, auf gar keinen Fall, einem anderen Mann die Arbeit wegnehmen!«
    Der Hauptmaschinist ließ sich nach und nach all die Messer geben und schleifte sie spitz und scharf, während der Funker seinen Gruß in die Heimat durchgab: »Lass laufen – stopp – Immer lass sie

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