Letzte Fischer
müssen. Sie wussten, es war überstanden. Leerfahrt und Flaute, die hässlichste Mischung überhaupt, sie hatten sie hinter sich!
Nur Ismael schlug beim Eintreten in die Zitadelle gegen den Rahmen des Schotts und sang mit unterdrückter Stimme: »›Ab geht die Party, die Party geht ahab!‹«
» Ahab war der Teufel, der den weißen Wal gejagt hat«, sagte Haudegen , der die Schleifmaschine zusammengepackt hatte und hinter dem Jungen ins Schiff kam: »Sprich nicht den Namen des Teufels auf diesem Schiff aus, Junge! – Und vergeude deine Kraft nicht mit sinnlosem Gerede.«
Ismael winkte ab und lief den Längsgang der dritten Etage entlang, während Haudegen tiefer stieg. Im untersten Längsgang verstaute er die Schleifmaschine unter dem Ende des Niedergangs, vertäute sie seefest, nickte dem Hilfsmaschinisten zu und sah sich die Armaturen des Hauptdieselmotors und der Zusatzmotoren an. Auch die der Pumpen und Lenzeinrichtungen überprüfte er. Haudegen prüfte die Schalttafeln der Winden und warf sogar einen Blick auf die Ansaugvorrichtungen der Sanitäranlagen. Er drückte auf den gelben Knopf und sagte: »An Brücke! Alle Maschinen klar und einsatzbereit!«
Haudegen nahm die Schutzbrille ab, die er seit dem Schleifen getragen hatte, putzte die großen Gläser seiner normalen Brille, die einen breiten, schwarzen Plastikrahmen hatte und die in den letzten zwanzig Jahren nicht einmal kaputt gegangen war, obwohl er oft gegen Ventile, Schalträder und Kanten geknallt war. Er versteckte seinen funkelnden Blick schnell hinter dem dicken Brillenglas.
Er ging am Hauptmotor vorbei, kam zum kleinen, schmiedeeisernen Badeofen, den er sich aus Indien mitgebracht hatte, öffnete ihn von oben und nahm eine frisch geräucherte Flunder heraus. Saftig war sie, gerade richtig, Haudegen lächelte. Er ging zum ölverschmierten Sessel, ließ sich mit dem Fisch in der Hand fallen und zog die Haut an der Naht auf. Das rosa Fleisch kämmte er von der Hauptgräte direkt in den Mund.
Zufrieden rülpste er und pulte Fasern aus den Zahnlücken, als die Brücke forderte, er solle ›halbe Fahrt voraus‹ geben. Haudegen nickte, stand auf, drückte die Knöpfe und verharrte zufrieden im Stampfen der Motoren, im Stinken der Kühlflüssigkeit und des Diesels. In von spärlichem Neonlicht beflecktem Schwarz weit unter der Wasseroberfläche. Gegen die Kälte kämpfte er mit Wattejacken. Die Brillengläser vergrößerten sein Augenlicht, aber viel zu sehen gab es hier unten ja doch nicht. Er schloss die Augen und lauschte. Dumpf klopfte Gewaltiges gegen die Außenhaut des Trawlers und hallte wider bis ins Innerste des Heizers. Er dachte: ›Erst auf dem Schiff fand ich meine Ruhe. Im ständigen Fahren fand ich meinen Stillstand.‹
Der Heizer nickte ein, während der Funker seinen Spruch in die weite Welt warf, der der letzte für heute war: »Wie ein großer Fisch – stopp – Abgestorben – stopp – An ein kleines Boot gefesselt – stopp – Bedächtig vom Alter gerudert – stopp – Grau und matt wie die Haut des Weißen Wals – stopp – Umkreist vom Teufel der See – stopp – So zieht unser Trawler durch die verdammten Flauten der Meere – stopp – Und wir sitzen tatenlos – stopp – Im Bauch eines ganz anderen Wals – doppelt stopp.«
Als wären seine Fingerspitzen Regentropfen, was ist nur mit ihrem Mann los? Mathilde lag nackt auf dem Bauch, und immer wieder landeten seine Kuppen auf ihrer Haut, sacht und fragend, als wäre Robert Rösch ein Junge, der mit ihrer Haut spielte, weil er entdeckte, dass sie lebendig war.
Kindliche Berührungen bedeckten ihren Rücken, ihren Hintern, rieselten als Rinnsale zwischen ihre Beine, rannen hinab und kreisten auf ihren Fußsohlen. Und er lächelte verlegen, wenn ihr die Flechten einer Gänsehaut wuchsen.
Flach drückte er die Hände gegen ihre Füße, küsste die Innenseiten ihrer Schenkel und verharrte bei den Kniekehlen. Er küsste ihre Pobacken, die Kuhle beim Ansatz ihrer Wirbelsäule, und Wirbel um Wirbel küsste er sich über ihren Rücken, ihren Nacken, ihren Hals, ihre Wange, ihr Ohrläppchen, während sie sich wütend auf den Zeigefinger biss.
Vor zwei Tagen war er mitsamt der Besatzung von der Saudade geflogen worden und hatte sie erst vom Londoner Flughafen aus anrufen können, während die neue Mannschaft den Fang an Bord brachte und verarbeitete, auf den sie auf dem Trawler so lange gewartete hatten. Einige wenige Stunden war die Leerfangzeit und die Flaute zu lang
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