Letzte Fischer
zählen.
»Jetzt ist aber gut. Hör auf damit!«
»Bin gleich fertig. Nur noch diese Kiste!«
»Hör auf, du stehst nicht mehr am Fließband! Gönne deinen Händen Ruhe, Robert! Stell deinen Kopf wieder an! – Und deinen Schwanz!«
»Ich kann nicht«, sagte er, während seine Hände in Bewegung blieben. Schließlich drückte sie die Kippe aus, packte seine Handgelenke und presste sie nach unten: »Hallo! – Du arbeitest nicht mehr! Hör auf damit!«
Er aber brachte die Hände nicht unter Kontrolle. Sobald Mathilde sie freigab, kamen sie schon wieder auf sie zu. Diesmal wolle er jede Pore ihrer Haut einzeln berühren.
»Robert!« Sie rutschte ans Bettende, stand auf und zog sich den Kimono über, den er ihr vor einem Jahr mitgebracht hatte. Zu spät bemerkte sie, dass er voller verschiedener Figuren war. Robert zählte schon wieder. Mit den Augen. Sie ließ den Umhang fallen und ging nackt aus dem Zimmer.
Vor dem Spiegel im Badezimmer schüttelte sie den Kopf. Ihr Herz schlug viel zu schnell. Ja, verdammt noch mal, sie hatte Angst. Sie hatte Angst bekommen.
Ob man ihm eine kräftige Ohrfeige geben sollte? Im Spiegel sah sie hinter sich die beiden unbenutzten Bademäntel in gleicher Farbe. Sie nahm den etwas kleineren.
»Entschuldige bitte«, sagte er auf der Haustreppe, die ins große, offene Wohnzimmer führte: »Diesmal ist es wirklich schlimm. Morgen wird es mir bestimmt besser gehen! Du bist so schön, ich würde so gerne, aber da ist diese verdammte Sperre im Kopf.«
»Welche Sperre?«
»Meine Geliebte, der ich doch hörig bin. Sie hält meine Gedanken fest. Ich kann mich von ihr noch nicht befreien, nicht heute, nicht jetzt!«
Mathilde blieb abrupt auf der letzte Stufe der Treppe stehen, und Robert rammte sie leicht, als sie sich umdrehte und fragte, von welcher ›sie‹ er denn jetzt rede?
»Von der See natürlich. Ich war voll von ihrem Rhythmus, und er ist noch immer nicht verebbt in meinem Kopf. – Und du weißt ja, Sex findet im Kopf statt.«
»Weißt du was? Wir werden die Sache beschleunigen! Lass uns einen Schnaps trinken. Mit Schnaps haben die Seebären das Meer schon immer bezwingen können!«, sagte sie und zog ihn mit sich in die Küche. »Hast du selbst gesagt!«
Nach dem dritten Glas hatte sich bei ihm dann doch noch alles wieder eingerenkt. Zufrieden und erschöpft kam Mathilde vom Küchentisch herunter und blieb auf der Kante sitzen. Sie fuhr sich durch die verschwitzten Haare und strich zärtlich lächelnd über Roberts Gesicht.
Er grinste und setzte sich neben sie.
»Oh Mann!«, sagte er.
Er atmete ein paar Mal tief durch, dann hob er die Hände, streckte die Arme nach vorne, hielt die Hände flach und sagte, sie solle hinsehen.
Vollkommen ruhig, sie lagen vollkommen ruhig in der Luft, und sie sagte: »Wie Möwen auf einer Windwelle.«
Robert nickte.
»Weißt du, Luise hat mir ja abgeraten, es dir überhaupt vorzuschlagen, aber ich glaube, darüber zu reden, das muss doch noch möglich sein.«
»Worüber?«
»Über diese neue Technik. Binnenfischer pachten Seen oder Teile eines Flusses, oder sie legen einen See künstlich an. So gehört ihnen dann auch der darin gefangene Fisch. Ich meine, es sind auch Fischer, nur eben Binnenfischer. – Bei der Aquakultur gibt es nicht nur Kreislaufanlagen und Rinnenanlagen, es gibt auch Netzgehege! Sogar vor der Küste baut man derzeit diese Fischfarmen auf, da bräuchtest du morgens nur rausfahren und wärst abends wieder hier. Aber auch mitten im Land werden Fische gezüchtet. Du könntest als Fischer arbeiten und doch abends zu Hause sein. Wollen wir uns so eine Fischfarm nicht mal ansehen. Vielleicht in Schwaan? Oder bei Demmin? – Mehr würde ich ja gar nicht wollen, nur mal eben einen Rundgang mitmachen. Es gibt da Führungen.«
»Einen Rundgang? Mehr nicht?«, fragte Robert. »Ich glaube, schon so eine Führung zerreißt das Herz jedes Hochseefischers. – Du hast mir einmal versprochen, dass ich mich nie, niemals, zwischen dir und der See entscheiden muss. Du hast es versprochen! – Und die See hat es auch.«
»Ja«, sagte Mathilde, »ich weiß.«
Sie stand auf, zog den Bademantel wieder an, verknotete den Gürtel und sagte: »Heute gibt’s Kohlrouladen!«
»Oh!«, sagte Robert: »Klingt schon besser.«
Sicher. Natürlich. Sie hatte es ihm versprochen, aber wie ein kleines Kind auf ein so altes Versprechen zu bestehen! Mathilde schüttelte den Kopf, bückte sich und nahm einen kleinen Stein in die Hand, den sie erst
Weitere Kostenlose Bücher