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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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unanständigen Kugelschreiber benutzte, und er bemerkte es erst gar nicht. Das war schlimm, aber es wurde nicht weiter darauf eingegangen.
     
    Zum Essen wurde er einem rundlichen Herrn zugeführt, einem Schriftsteller. Gemeinsam ging man in ein Kasino der besseren Art, das nur dem Lehrpersonal vorbehalten war. Hier wartete der Präsident der Universität auf sie, der meinte, sich ihnen widmen zu müssen. Flowers hatte anderswo zu tun.
    Der Präsident bestellte ein umfangreiches Essen und sagte, er habe noch nie mit zwei so berühmten Schriftstellern zusammengesessen. Er sei Physiker und habe keine Ahnung von Literatur. Sowtschick verstand nichts von Physik, und der rundliche Schriftsteller sprach einen unverständlichen Slang. Alexander stellte sich in der Stille, die bald entstand, vor, wie es wohl in dem Gehirn des lieben Kollegen wimmelte von den Gestalten seiner Phantasie, Alraunen, Meerkatzen, Nebelfeen … Und der Physiker mochte an Kristallgitter denken, als Leiter oder Halbleiter zu verwenden für irgendwelche Verfahren, mit denen man die pedantische Natur überlisten kann. Oder an das Budget, das es durchzusetzen gelte, um noch mehr Kristallgitter konstruieren zu können.
    Sie bildeten an ihrem runden Tisch eine Pyramide der Verständnislosigkeit, auf deren Spitze ein leuchtendes Fragezeichen steckte.
    Die Bedienung hatte eine Schürzenschleife auf dem Rücken. Eine der beiden Schlippen hing weit herunter. Sowtschick sah das und notierte es auf einem Zettelchen. Das sah der Kollege, und er lächelte. - Daß der Kollege sich so was notierte, das verstand er.
    Zum Dank für die unterhaltsame Stunde schenkte Alexander seinen beiden Partnern Bücher von sich. Diesmal griff er zu«Hohlwege», einer Aphorismensammlung, die er herausgegeben hatte, weil der Verleger«mal was anderes»hatte haben wollen:«Haben Sie nicht mal was anderes?»
    Und dieses Mal nahm er auch den richtigen, den seriösen Kugelschreiber fürs Signieren.
     
    Dry toast with butter. Am nächsten Morgen in der Frühe tauschte Sowtschick den Toaströster ein drittes Mal um - obwohl es Sonntag war, hatte der Supermarkt geöffnet -, und die junge Frau kannte ihn nun schon und nickte ihm einigermaßen freundlich zu. Die wußte, daß Toaströster nicht auf Anhieb funktionieren. Hier haste’n neuen … Irgendwann wird es schon klappen! - Alexander versuchte ihr zu erklären, daß seine Frau zu ihm gesagt habe, er solle den Stecker richtig reinstekken …
    Ja, den Stecker muß man natürlich reinstecken, das ist wahr. Dieser Frau schenkte er kein Buch, obwohl es ihn drängte. Wie sonst sollte er ihr zu verstehen geben, daß er trotz des Malheurs mit elektrischen Geräten ein Mann von nicht geringer Bedeutung war?
     
    Atomraketen auf dem Salzsee, Raumsonden aus Silberpapier, schwerfällig sich aus Weltraumfähren herauswuchtende Astronauten - gleichviel -, aber die Toaströster funktionieren nicht in diesem Lande, schrieb er in sein Notizbuch, denn leider wurde es wieder nichts mit dem Toast. Aber der Kaffee, den Alexander sich im geheimen dann doch braute, war ganz ausgezeichnet. Am Schlüsselloch würde schon keiner schnuppern … Starker Kaffee und Butterkekse von einer Sorte, wie er sie in Deutschland noch nie zu essen gekriegt hatte - wieder einmal typisch war es, daß die Marmelade, die im Kühlschrank stand, Diabetikermarmelade war.
    Mit den Flowers ging er dann auch zur Kirche,«Tempel»genannt.
    Vorm Portal wurde er ausgeschmückten Frauen und ehrbaren Herren vorgestellt, diesem noch und dem da hinten auch noch. Ob Bomberpiloten darunter sind?, fragte sich Sowtschick. Mit denen hätte er gern mal ein Wörtchen geredet.
    Leider faselte er dann was von«Bibelforschern», von«Jehovas Zeugen», daß er auch in Deutschland schon mal Bibelforscher kennengelernt habe, ordentliche Menschen im großen und ganzen und absolut einsatzfreudig. Die gingen für ihren Glauben von Tür zu Tür. Bibelforscher hatten ja nun mit den Pilgervätern nicht das geringste zu tun, ganz im Gegenteil! Die Umstehenden zogen das Kinn ein. Die Religion der Mormonen leite sich von Joseph Smith her, einem Mann, der die Heilsbotschaft direkt von einem Engel empfangen habe! Die Goldtafeln mit dem Buch Mormon nämlich, auf die sich Leben und Glauben der Gemeinschaft gründe.
     
    Der Tempel, zu dessen Ausgestaltung man viel Gold verwendet hatte, war bis auf den letzten Platz besetzt. Viele Kinder darunter, die hier ohne Scheu herumlärmten. Sowtschick mußte in der ersten

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