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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Reihe Platz nehmen.
     
    «How good it is, hard to work», war das Thema des Tages, das denn auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt wurde. Chöre traten auf, in besonderen Gewändern, und sie sangen altbekannte Lieder, die Alexander allerdings allesamt unbekannt waren. Eine Frau dirigierte den Chor mit boxenden Gebärden. Ihr Baby gab sie vorher einer Nachbarsfrau in Verwahrung.
    In der Predigt wurde Alexander namentlich erwähnt: daß sich die Gemeinde freut, einen Gast aus Deutschland begrüßen zu dürfen, und daß die Mormonen von der Ökumene anerkannt seien und zum Weltbund christlicher Kirchen gehörten, vielleicht merkt sich das der deutsche Freund einmal!
    Gehörten die Bibelforscher nicht auch dazu?
    «How good it is, hard to work.»
    Die Ansprachen wechselten einander ab, wie wohl es tut, so zu arbeiten, daß die Schwarten knacken, wurde gesagt, und dann berichtete ein Jüngling von einer Deutschlandreise. Er war ausgesandt worden im Zuge der zwei Missionsreisejahre, die jeder Heranwachsende zu absolvieren hatte. Und er erzählte manches von den Deutschen, über das gelacht wurde, und dann berichtete er aber auch von der Verkommenheit der Menschen dort. In Hamburg hätte er halbnackte Frauen in einem Schaufenster sitzen sehen! Ein Preisschild draußen dran! Ihm stockte die Stimme, und Tränen schossen aus seinen Augen, als er davon berichtete, und manch einer der Gläubigen sah zu Sowtschick hinüber, ob der auch zu denen gehört, die sich Frauen aussuchten wie Semmeln beim Bäcker?
    «How good it is, hard to work», dieses Wort wurde hier nicht zitiert.
     
    Hamburg?, dachte Sowtschick, ach ja, das schöne Hamburg. Eine Stadt, in der sich der Name«Sowtschick»auf den Lippen der Passanten formte, die ihm entgegenkamen. Eppendorf! Und es erfaßte ihn eine tiefe Sehnsucht nach der Finsternis seiner Heimat. Toaströster konnte man dort kaufen, die ewig funktionierten, mit einstellbaren Hitzegraden und automatischem Auswerfer. Und er seufzte tief auf.
    Noch niemals hatte er in der Hansestadt irgendwo halbnackte Frauen in einem Schaufenster sitzen sehen. Rote Schweizer Taschenmesser in jeder Form, Lampen, Schuhe und meinetwegen auch Dessous, aber doch keine lebendigen Frauen? Halbnackt?
     
    Am Nachmittag ging Flowers mit ihm zu einem Jubiläums-Footballspiel, das er in der Prominentenloge des sehr speziell gebauten Stadions hinter Glas sitzend verfolgen durfte. Alles war weiß und blau! Nachdem der Präsident Gebetsworte durchs Mikrophon gesprochen hatte, marschierte der Posaunenchor quer und kreuz über den Rasen, mal hierhin und mal dorthin, durcheinander und geordnet, und mit den Füßen aufstampfend. Sechzigtausend Menschen schrien, und über den Himmel segelte ein Schwarm weißer Tauben, denen man blaue Bänder ans Bein gebunden hatte. Weiß-blaue Jungen, dick verpackt und mit Gesichtsschutz versehen, gegen grün-weiße anrennend. - Die blauweißen gewannen ein Spiel nach dem anderen. Gegen diese Members war kein Kraut gewachsen.
    Wohlproportionierte jubelnde Cheerleader bauten auf beiden Seiten wiederholt menschliche Türme und riefen mit hellen Stimmen ihrer Mannschaft Aufmunterndes zu.«How good it is, hard to work.»Alexander hätte sie gern durch ein Fernglas betrachtet. Auf hundert Meter Entfernung kriegt man mit bloßem Auge nicht viel mit.
    Eine einzige Fliegerbombe würde genügen, dachte er, und das bunte Treiben ist sofort beendet.
     
    Sowtschick in der Ehrenloge bekam ein Tablett mit Erfrischungen hingestellt. Zerfließendes Eis und Apfelkuchen mit zerfließender Schlagsahne drauf, ob er noch irgend etwas wünscht? Störend war es, daß direkt neben ihm ein junger Deutscher saß, der, wie es schien, harmlose Indianer gegen die Gesellschaft aufwiegelte, ihnen also flüsternd zusetzte, sie sollen sich dies und das nicht gefallen lassen …, wobei er das Eis aß, das ihm die Members spendiert hatten. Die Indianer waren eigentlich wegen des Footballspiels gekommen, sie gehörten auch zu den Blau-Weißen, die wollten wissen, ob Jimmy durchkommt oder gestoppt wird von den Grün-Weißen. Der Gruß, den Alexander dem Deutschen entbot, Landsleute müssen doch zusammenhalten, wurde nicht erwidert. Vor Alexander Sowtschick war, wie es schien, auch dieser Mensch schon gewarnt worden. Wahrscheinlich bereits zu Hause: Wenn du den Sowtschick irgendwo triffst, dieses konservative Schwein, dann hau ihm’n paar vorn Latz!
    Behüt uns Gott vor Schnee und Wind
und Deutschen, die im Ausland

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