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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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sind.
    In diesem Spruch lag viel Weisheit, so kam es Sowtschick vor. Flowers versuchte mitzukriegen, was da drüben verhandelt wurde. Red Power? Das hatte noch gefehlt. Er erkundigte sich nach dem Namen des jungen Mannes. Er war ein Gaststudent und kam aus Hannover.
    Na ja, Hannover.
    Beim nächsten Stipendiumsantrag würde ihm die Verwaltung der Universität vermutlich Schwierigkeiten machen. Toleranz hat auch ihre Grenzen, jedenfalls bei den Members.
     
    In einem kühlen Stollen tief unter der Erde lagerten die Ahnenkarteien der Mormonen. Alexander durfte sie besichtigen. In den Computern war die ganze Menschheit aller Himmelsrichtungen zu Heilszwecken verzeichnet. Man konnte Namen eingeben, ob Member oder nicht.
    Alexander war neugierig, ob sich auch unter«Sowtschick»etwas fände, und die zuständige Beamtin war so freundlich, ihm in dem System die richtige Seite aufzuschlagen.
    Sowtschicks gab es eine ganze Menge, braun auf grünem Grund. Nicht gerade Tausende, aber doch viel mehr, als Alexander gedacht hatte. Auch ein August Sowtschick in Chicago war verzeichnet: Das mußte der Onkel sein, den er noch besuchen sollte. Die meisten Sowtschicks hatten in östlichen Ländern gewohnt, aber es gab sie doch auch in Wuppertal und - Sassenholz: Ja, da stand es groß und breit, Alexander Sowtschick , verheiratet, zwei Kinder, von Beruf Schriftsteller. Hier hatte er es braun auf grün, daß es ihm gelungen war, seinen Kindheitstraum zu verwirklichen und Schriftsteller zu werden. Gut war er damit gefahren. Aber wenn Marianne nicht gewesen wäre, hätte er es nicht geschafft. Sie war es gewesen, die die Olympia-Maschine auf dem Schwarzmarkt besorgt hatte. Immer noch nicht so ganz klar, wie ihr das damals gelungen war. Jetzt würde sie vielleicht durch einen Computer ersetzt werden müssen.
    Auch die Daten seiner Eltern stimmten, nur eines war merkwürdig: statt«Oberstudienrat»war«Matrose»als Beruf seines Vaters angegeben: Richard Sowtschick, von Beruf Matrose. Die Maschine wurde hin und her gedreht, vor und zurück, es half alles nichts: Es blieb bei«Matrose».
    Bin ich denn der Sohn eines Matrosen?, dachte Alexander, also ein ganz anderer? Da zerriss der Vorhang des Tempels in zwei Stücke, von oben bis unten, und die Erde bebte.
     
    Ob sich in diesem Apparat auch die Daten von Mary born with a tooth befanden?
     
    Am letzten Abend fuhr Alexander zu Flowers, es sollte Abschied gefeiert werden.
    Er fuhr langsam-langsam, ganz nach amerikanischer Gewohnheit. Es war Halloween, und in allen Gärten standen ausgehöhlte Kürbisse mit Kerze drin. Die scheußlichsten Fratzen also begleiteten ihn auf seinem Weg zu den freundlichen Leuten. Abbildungen von Geistern, zu denen Alexander aus beruflichen Gründen in freundschaftlicher Beziehung stand. Ein Brauchtum, zu dem es in Deutschland keine Parallele gab. Von Perchten abgesehen, die sich ja aber in Norddeutschland nicht sehen ließen.
     
    Ein Polizeiauto folgte ihm, wie langsam er auch fuhr. Langsamer, als er ohnedies schon dahinglitt, konnte Sowtschick nun nicht fahren, die Geschwindigkeit schien es nicht zu sein, die die Polizisten interessierte. Er war geradezu erleichtert, daß ihn der Wagen plötzlich rasch entschlossen überholte und sich vor ihn setzte: Rechts ran! Stopp!
    Von Polizei gestoppt zu werden, ist ja nie ganz angenehm. Auch wer die reinste Weste hat, wird da unruhig. So zitterte Sowtschick denn auch am ganzen Leib.
    Ein Beamter mit Taschenlampe stand vor seiner Wagentür, mit kaugummitrainiertem Zahngebiß, nicht unähnlich den Halloweenmasken in den Gärten rundum, Cowboyhut auf dem Kopf und Gummiknüppel an der Seite.
    Er soll mal eben aussteigen, aber schön langsam, keine ruckartigen Bewegungen machen!
    Ob er der Mann ist, fragte der Polizist, der den kleinen Kindern die Candys wegnimmt, die sie geschenkt kriegen, wenn sie an diesem Tag von Haus zu Haus ziehen?
    Sowtschick stand ziemlich verdattert da, und es wurde den Polizisten sogleich klar, daß er nicht der Gesuchte sein konnte: Wer so aussah wie Alexander, nahm keinem Kind ein Candy weg. Es war ganz unnötig, daß er ihnen erklärte, sein Name sei Alexander Sowtschick, und er komme aus Germany und sei invited from the German Department of the University … Man ließ augenblicklich von ihm ab, nicht einmal seine Papiere wollte man sehen, obwohl Sowtschick sie ihnen liebend gern gezeigt hätte. Er durfte weiterfahren, und man entschuldigte sich sogar bei ihm. Nein, es war klar, dies war kein Mann

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