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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Reihen schoben, vollkräftig und strahlend. Auch Studentinnen, ebenfalls strahlend, den Sandsteinfiguren am Hauptportal der Universität nicht unähnlich, wenn auch mit verhüllten Brüsten. Dreierlei Essen gab es hier: teuer, weniger teuer und billig. Dazu noch, an einem speziellen Stand: ethnisches Essen, das jeden Tag wechselte, also mexikanisch, spanisch und chinesisch. Eines galt jedoch ganz allgemein: kein Kaffee, kein Tee, keine Cola und natürlich kein Alkohol. Kaugummi ja, aber absolutes Rauchverbot.
    Wenn sich mal einer eine angesteckt hätte, dann hätten sich sofort kräftige Studenten um den gekümmert, Farmersöhne aus Arizona, die hätten ihn rasch hinaus an die frische Luft geleitet, wo das Rauchen allerdings auch nicht gestattet war.
    Ellen Butt-Prömse war es gewesen, die in dieser Hinsicht gesündigt hatte. Mit brennender Zigarette war sie auf der Straße gesehen worden, und das Gästehaus hatte hinterher desodoriert werden müssen.
    Alexander wurde scheel angesehen, als er um eine Tasse Kaffee bat. Nein, Kaffee nicht, was ist das? Kaffee ? Allenfalls Pfefferminztee, den allerdings doppelt fermentiert.
    Schwarze gab es an dieser Universität anscheinend keine, auch Rothäute waren nicht zu sehen.
     
    Flowers holte für seinen Gast ein Essen aus der ersten Kategorie: Schweinebraten mit gekochten Tomaten. Die Mahlzeit wurde jedoch immer wieder unterbrochen durch verschiedene Herren, die nach und nach an den Tisch traten, dunkler Anzug mit Schlips. Die ließen sich dem Gast aus Germany vorstellen, der, wie Flowers sagte, in Europa Millionen von Büchern verkauft habe. Sowtschick stand jedesmal auf, und von dem Messer rann ihm die Bratensoße in seine Manschetten.
    Wie gut, daß ich eine Krawatte umgebunden habe!, dachte er, ohne Krawatte wäre es hier nicht gegangen … Mit Krawatte war er von den Members kaum zu unterscheiden, wenn die Streifen auch, anders als hier üblich, von links oben nach rechts unten zeigten. Und doch stammte er aus einem so ganz anderen Land, aus einem Land, in dem es Konzentrationslager gegeben hatte. Jeder Herr, dem er als Deutscher vorgestellt wurde, dachte das: Aha, Germany …
     
    Alle diese Herren waren von würdiger Ehrerbietung. Bis auf einen schwarzhaarigen Krauskopf: Der machte runde Augen, als er Alexander sah, und fing an zu lachen, prustend. Der hatte ein Buch von ihm gelesen und es wahnsinnig komisch gefunden. Das war nicht böse gemeint, aber es befremdete doch. Noch draußen sah man den Herrn lachend an den Fenstern der Mensa vorübergehen.
    Hierin lag wohl auch der Grund, weshalb Alexander bisher von Austin noch nicht eingeladen worden war. Was komisch war, konnte ja nichts sein. Das war seit Gottsched so und sollte auch fürderhin so bleiben.
     
    Am Nachmittag legte sich Alexander ein wenig aufs Ohr, und dann sah er dem Nachbarn zu, der mit einer speziellen Rasenkantenbeschneidungsmaschine seinem Garten den letzten Schliff verlieh. Er soll mal eben rauskommen!, rief der Mann; menschlicher Kontakt sollte also hergestellt werden. Sowtschick zeigte auf seine Ohren, als ob er taub ist. Er hatte keine Lust, Ansichten über das Wetter auszutauschen.
     
    Die Klimaanlage bollerte, der Kühlschrank und die verschiedensten Ventilatoren: Wie ein Schiff zitterte das Haus. Gern hätte Alexander sich einen Kaffee gemacht, recht stark, wie zu Hause in Sassenholz um diese Zeit, und dabei sein Notizbuch auf den neuesten Stand gebracht, aber er traute sich nicht: Die Töpfe und Tassen dieses Hausstandes hatten etwas Gereinigtes an sich. Sich hier Kaffee aufzubrühen wäre nicht gegangen, das wäre stillos gewesen. Unvorstellbar, wenn man ihn dabei erwischte! Schnupperten an dem Geschirr: … Haben Sie hier etwa Kaffee getrunken? Wahrscheinlich hätte man ihn dann, wie dem guten Schätzing es mit seiner Bienenkönigin geschehen war, abserviert. Erst vorgeladen und dann abserviert.
    Ob man Schätzing seine Dollars ausgezahlt hatte? Oder hatte er das verwirkt? Das wäre ein teures Vergnügen gewesen!
     
    Jennifer, Sophie, Freddy … Vielleicht begegnete ihm ja Sophie irgendwo? Die Welt ist ein Dorf. Oder er träfe den guten Schätzing mit seiner Freundin in San Francisco. Könnten dann zusammen bummeln gehen? Und sich dann gegenseitig erzählen, was sie gedacht hätten voneinander, in New York im Jazzkeller. In Houston das Wäschepaket.
    Und sich gegenseitig erzählen, für wie bekloppt man einander gehalten habe und dann plötzlich aufgewacht?
     
    Vielleicht käme das

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