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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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und Portier guckten ihm dabei zu -, komfortabel war das Appartement und einigermaßen sauber, wenn auch mit verdächtigem Fußbodenbelag versehen.
    Der Portier drehte die Wasserhähne auf und zu und klappte den Klodeckel auf: Es war nichts zu beanstanden. Der Assistent, der in Bremen über«Berufsverbote in der BRD»promoviert hatte, empfahl sich. Er glaube, Alexander fände sich schon zurecht. Seit Tagen müsse er sämtlichen deutschen Gästen die Stadt zeigen, Chinatown und die Zerstörungen des letzten Erdbebens. Fände sich Alexander selbst zurecht? Ja? Interessant sei der Zoo, hier ganz in der Nähe … Die Neuerwerbung eines Bambusbären habe kürzlich für Furore gesorgt. Extra ein neues Gehege dafür gebaut, neuerdings kränkle das Tier allerdings.
     
    Schon vor Jahren war Alexander mal in San Francisco gewesen. Schon damals hatte man ihn durch den Zoo geführt, von Gitter zu Gitter, Chinatown, den stillgelegten Hafen, den winzigen Rathausplatz. Das kannte er alles. Er hatte bereits von oben auf die Stadt hinuntergeguckt und von unten hinauf zu dem ausgebreiteten Beton-Franziskus.
    Auf der anderen Seite der Bay lebten vierzigtausend Künstler, das hatte man ihm schon wiederholt mitgeteilt. Das kam ihm seltsam vor. Waren das nur Maler oder auch Musiker und Schriftsteller? Rechneten auch Leute vom Film dazu? Schauspieler, Sänger und Bosse? - Da mochte allerhand zusammenkommen … Aber vierzigtausend?
     
    Der Institutsleiter bediente zwei Telefone und verfolgte gleichzeitig auf einem Bildschirm die neuesten Daten. Er empfing Alexander laut lachend und nannte ihn«Saftschack». Von New York sei er schon vorgewarnt, daß er ein schwieriger Geselle sei. Aber sie würden schon fertig werden miteinander, gell? Auch in seinem Büro hing ein Kokoschka-Bild vom Hamburger Hafen - diesmal aus einer anderen Perspektive.
     
    Der Grund der Aufregung: Ernst Prack war gerade angekommen, der weltbekannte Großautor, Verfasser von Romanen, die, obwohl sie nur mit höhnischen Verrissen bedacht wurden, um den ganzen Erdball gingen. Man hatte ihn, der immer alles absagte, nur der Form halber zu den«Deutschen Wochen»eingeladen, und nun war er tatsächlich gekommen! Gerade eben die Nachricht eingetroffen. Er treffe sich morgen mit Autoren und Künstlern, dem Dramatiker Jean d’Albertin zum Beispiel, dem Architekten Kim Lei und anderen, die alle extra angereist seien, um mit ihm darüber zu sprechen, wie man das Weltschiff wieder flottkriegt. Irgendwie müßte das doch hinzukriegen sein.
    Prack, na wunderbar! Da ergäbe sich vielleicht die Gelegenheit, mit ihm ein Stündchen zu plaudern?
    Was?, sagte der Institutsleiter, plaudern? Wo denken Sie hin! Der Mann hat schließlich was anderes zu tun! Und er guckte über Alexander hinweg, als sichte er ferne Gestade …
    Bei der Gelegenheit kriegte Alexander es immerhin mit, daß Prack im«Hyatt»untergebracht war, im einundzwanzigsten Stock mit Ausblick über die ganze Stadt.
    «Hyatt?»Na ja, vielleicht wohnte er da auf eigene Rechnung.
     
    Der Institutsleiter schob Alexander hinaus.
    Die irgendwie ständig beleidigte Institutssekretärin ging durchs Zimmer. Sie trug, obwohl sie doch Deutsche war, einen silbernen Fingerring mit einer kleinen goldenen Landkarte von Texas darauf. Ihr Haar hatte sie trotz vorgeschrittenen Alters zu Zöpfen geflochten, wenn es auch nur zu Rattenschwänzen reichte. Morgen würde sie es vielleicht mit einem Pferdeschwanz versuchen. Oder mal ganz wuschelig?
    Mal alle Werke von Prack durchlesen, ob der vielleicht irgendwo entsprechende Vorlieben äußerte?
    Sich eine Glatze scheren? Warum nicht?
    Sie bleckte die Zähne mal eben kurz in den Spiegel, und dann teilte sie Alexander mit, Washington habe angerufen, er müsse noch seine Telefonrechnung begleichen. Es sei Usance, daß der Veranstalter das Zimmer übernimmt, alles klar, aber doch nicht diese endlosen Telefonate! Er habe es wohl drauf ankommen lassen.
    Im übrigen lasse Dr. Kirregaard anfragen,«Gleitflug», ob er schon mal in das Manuskript hineingeschaut habe? Erinnere er sich daran, daß er es ihm versprochen hat?
    Ferner habe sich aus New York eine Frau Samson gemeldet, er solle sie anrufen, wenn er wieder da ist, vielleicht lasse es sich ja einrichten, daß sie sich dort sehen? - Sie habe sehr geheimnisvoll getan. Ob Sowtschick sie kenne? Aus der Kindheit vielleicht?
    Alexander kriegte dann noch ein Briefchen ausgehändigt, das hatte man ja fast vergessen, auf altmodische Weise dreieckig

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