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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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zum Getier.
    Daß Rilke auch tierlieb gewesen sei, sagte Tennhoff …, daß er sogar an seinen Hund ein Sonett gerichtet habe:«Du, mein Freund bist einsam …»
    Und dann erzählte er wahre Wunderdinge von seinem Wellensittich. Eines Tages in die Kartoffelsuppe gefallen, aus und vorbei.
    Alexander dachte an den Ahnenbunker der Members, wie viele tausend Menschenschicksale dort verzeichnet waren. Wenn man dort auch noch alle Tiere aufnehmen wollte! Hatten Tiere nicht auch eine Seele? In der Bibel wurde das nicht erwähnt. Die Hundegräber im Garten von Sassenholz. Percy mit seiner grauen Schnauze, von einem Jäger erschossen, Doris und Jockel. Jockel einfach umgekippt: Herzschlag. Ob dem wohl auch ein Horn erschienen war auf der Netzhaut? Und Doris so elend an Krebs eingegangen, der linke Vorderlauf. Es hatte ganz harmlos angefangen.
    Marianne hatte die Gräber noch lange mit Blumen versehen.
     
    Endlich waren sie am Ziel, einer kleinen Ansiedlung inmitten der Wüste, mit zwei Gasthäusern, die einander gegenüberlagen. Die Straße führte dazwischen hin, das eine hieß«Ratskeller»und das andere«Dem Wiener Schnitzel». Sie stellten den Wagen in den Schatten und setzten sich in den«Ratskeller», eine Art Gartenlokal, so würde man in Deutschland gesagt haben, an dessen Zaun Blumentöpfe standen, die ständig mit Wasser frisch gehalten wurden. Sie bestellten Suppe, und Tennhoff sprach über Schätzing, was das für ein fabelhafter Mann sei. Durch den Feuerofen der sozialistischen Gesellschaft gegangen. Ausgewiesen wegen seiner aufrechten Haltung aus seinem Heimatland. Der Mann habe alles zurücklassen müssen, Freunde und Familie. Und nun auch noch krank?
    Hatte die Lesung im Sitzen halten müssen, und sei beim Hinausgehen von einer jungen Frau gestützt worden. - Ein besonderer Mann.
     
    Irgendwann muß er doch mal auf meine Sachen zu sprechen kommen, dachte Sowtschick, auf meine Romane.
    Nein, er wurde nicht befragt, und er gab folglich auch keine Informationen über seine Arbeitsweise oder über die Konstruktion seiner Romane preis. Stunde um Stunde hätte er von Proportionen reden können, sie aufzeichnen gar auf eine Papierserviette, Türme der Gestaltung, gekrönt von einem Ausrufezeichen.
    Der Holländer kriegte es mit, daß Sowtschick ansetzte zu einer längeren Rede, daß die Stimme kurz davor war, ihm«den Mund aufzustoßen». Er guckte routiniert zur Seite, räusperte sich, scharrte mit den Füßen und erstickte damit Sowtschicks Darbietungen im Keim.
     
    Nun näherte sich ein junger Bursche von drüben, von«Dem Wiener Schnitzel», und fragte, ob sie aus Deutschland kämen. Er hat einen Freund, der ein halbes Jahr in Deutschland gewesen sei, den wolle er mal schnell holen. Tennhoff wies auf Alexander, daß er selbst hinsichtlich Deutschlands nicht in Frage käme, höchstens wenn es um die Berichterstattung irgendwelcher Kriegsgreuel ginge.
    Und tatsächlich, der Bursche brachte einen Jungen an, der etwas herausbrachte, das klang wie:«Wie geht’s, wie steht’s?»«Hüttenbusch»habe der Ort geheißen, wo er mal war, aber kein halbes Jahr, sondern nur zwei Wochenenden. - Alexander war kurz angebunden, das ging hier nun nicht, daß man sich auf einer solchen Ebene miteinander befaßte.
     
    Der Teller wurde leer gegessen, Postkarten wurden gekauft mit der Ansicht des«Ratskellers», was zu Hause sicherlich Heiterkeit erregen würde, ein Fläschchen mit Sand. Auch getrocknete Eidechsen gab es zu kaufen. Alexander nahm eine Tube Sonnenbrandcreme mit, denn seine Nase wies Rötung auf. Wechselseitiges Rekognoszieren der Uhrzeit und schließlich:«Na denn?»Sie stritten sich ein wenig ums Bezahlen, bis der Rilke-Fachmann obsiegte mit dem Hinweis, das zahle ohnehin die Fakultät.
     
    Das Auto stand ganz richtig im Schatten, aber leider waren die beiden hinteren Reifen platt. Mit Messern zerstochen! Und die Staubschicht der Windschutzscheibe war mit Hakenkreuzen versehen, wenn auch verkehrt rum. Alexander sagte, ihm sei das mal in Bochum passiert, vor der Universität, am hellichten Tage, nicht Hakenkreuze, die seien ja verboten in der Bundesrepublik, und das werde streng verfolgt, bis hin zum BKA ginge so was, sondern die Reifen eingestochen. Aber das nützte hier nun nichts.
    Tennhoff regte sich furchtbar auf: Er sei doch gar kein Deutscher! Was das denn zu bedeuten habe? Wenn man einem Deutschen die Reifen einsticht, das kann er notfalls noch verstehen. Aber ihm als Holländer?
     
    Der Wirt kam um die

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