Letzte Gruesse
Alexander wurde ungehalten. Seine Energien waren aufgebraucht. Überall war er zum Kotzen freundlich gewesen, in Boston zu Dr. Neubert, in Washington zu den deutschen Schülern und in San Francisco zu dem Institutsassistenten, der eine Arbeit über Berufsverbote in der BRD geschrieben hatte. Nun reichte es! Er ließ das Tablett wegnehmen und bestellte alles neu. Es war sehr zu vermuten, daß es dieselben Pommes frites sein würden, die er dann serviert bekäme, nur eben noch mal reingeworfen ins Öl, aber was war dagegen zu machen? Kein Trinkgeld geben?
Auf der anderen Straßenseite: eine Wand von erleuchteten Fenstern. Alexander musterte die vom Licht der Fernsehapparate erleuchteten Wohnungen gegenüber. Er konnte die Menschen nur von hinten sehen, wie Kranführer saßen sie vorm Apparat, aber ohne Hebel in der Hand, da hob und senkte sich nichts.
In der Mitte rechts schien sich was anzubahnen. Ein junger Mann lag auf der Couch, und ein Mädchen saß im Schneidersitz vor ihm. Sie sprachen miteinander. Alexander fuhr die anderen Fenster ab, nichts weiter als fernsehende Menschen - und sein eigner Fernseher lief ebenfalls.
Auch Alexander setzte sich vor den Apparat, mit seinen Fritten. Ein Gottesdienst war zu beobachten, singende Jungfrauen in langen weißen Kleidern, Springbrunnen links und rechts. Ein Pfarrer, der durch festes Zukneifen der Augen Nähe zu Gott erzwingen wollte.
Alexander legte sich aufs Bett. Aber an Schlaf war nicht zu denken. Vor der Tür hatten sich die kanadischen Mädchen zusammengerottet, das hörte er jetzt. Sie holten sich Eiswürfel aus dem rasselnden Automaten und klagten laut, daß sie nicht schlafen können.
Als sie eben gegangen waren, kam ein zweiter Schwung Schülerinnen, die jagten den Gang hinauf und hinunter und kreischten. Offenbar bewarfen sie sich mit Eiswürfeln.
Sowtschick rief unten an, was das für ein Lärm ist? Aber der Mann an der Rezeption, elf Stockwerke tiefer, wußte es auch nicht so recht. Er kann sich den Lärm absolut nicht erklären, sagte er schließlich, und er kann da auch nichts machen, er kann hier nicht weg. Jugend! Die Jugend ist eben so.
Ihm wurde empfohlen, selbst auf den Gang zu gehen und um Ruhe zu bitten. Hereinholen die Kinder und ihnen erklären, was das für ein Zufall ist, daß sie hier einem deutschen Schriftsteller begegnen?«My name ist Alexander Sowtschick, I’m a writer of books …»Ein Schriftsteller von Rang, der nicht nur einen Publisher hat, sondern mehrere. Seine Bücher hervorholen, auf den Namen deuten und dann auf sich, daß er es ist, der sie verfaßt hat und jetzt leibhaftig vor ihnen steht?
Zornig lag er auf dem Bett. Ab und zu stand er auf und kontrollierte, was die jungen Leute im Haus gegenüber trieben: Der Junge lag noch immer auf der Couch, und das Mädchen saß daneben, und sie redeten und redeten. Um uralte Fragen ging es, das war zu erkennen. Also schmiß er sich wieder hin. Mit den uralten Fragen hatte er nichts mehr zu tun, für die war er nicht mehr zuständig. Er hatte sie eingehend kommentiert. Ein Ruck war nicht durch die Menschheit gegangen.
Dry toast with butter. Am nächsten Morgen frühstückte er in dem Coffeeshop, in dem der Ehescheidungsfilm«Cramer gegen Cramer»gedreht worden war, wie man ihm sagte und was auch auf der Speisekarte stand.
Er ging hinüber ins Institut und sagte den Damen, die dort unter klickenden Neonleuchten vor ihrem Computer saßen und Rundschreiben entwarfen,«Guten Morgen!»und daß er nun wieder vorhanden ist und daß er diesmal keinen Hamburger gegessen hat …
Und dann fragte er auch schon, warum in Philadelphia niemand was gewußt hatte von seiner Lesung, eine Heidenangst ausgestanden und im«Yodler»das Zimmer selbst bezahlen müssen! Die Sekretärin hörte gar nicht richtig hin. Zuckte sie die Schultern? Hatte sie was anderes zu tun? Selbst bezahlen? Sie weiß es ja auch nicht, und: Hier steht nix … Darüber geriet Sowtschick außer sich. Schlug er gar mit der Faust auf den Schreibtisch? Oh, was bot er für ein häßliches Bild!
In diesem Augenblick legte sich ihm eine warme Hand auf die Schulter. Es war Dr. Kirregaard, der Direktor. Er holte ihn in sein Büro und gratulierte ihm, daß er durchgehalten hat die einunddreißig Stationen. Oder waren es zweiunddreißig gewesen? Keine ausgelassen? Und immer dasselbe gelesen vermutlich? Oder variiere er manchmal? - Und dann fragte er, ob er sich auch alles schön angesehen habe. Wann komme er da
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