Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Alexander in Schwierigkeiten war.
    Oder war man gar in Travemünde?
     
    Was tun?
    Ruhig Blut, die Sache würde sich klären. Hauptsache, keine
    Wut in sich aufkommen lassen. Nicht hektisch übern Ecktisch, sondern locker übern Hocker … In diesem Land mußte man sich unter Kontrolle halten, was immer einem auch widerfuhr. Happy go lucky! Angelsächsisches Understatement beweisen, auch wenn man Deutscher ist, damit die Leute nicht sagen: Typischer Deutscher! Da sieht man’s mal wieder! Cholerisch und unsensibel! - Kühl bis ans Herz bleiben, verbindlich lächeln, auch wenn’s in einem noch so kocht.
     
    Sowtschick ging an den Zeitungskiosk. Auf einem internationaler Airport würde es doch wohl eine deutsche Zeitung geben. Türme von Baseballmützen standen zum Verkauf, T-Shirts mit Mickymäusen drauf, Briefbeschwerer aus falsch oszillierenden Glaskristallen und jede Menge Dreamcatcher. Aber keine deutschen Zeitungen. Französische, spanische ja, sogar japanische, aber deutsche nicht. Goethe, Brahms und Wernher von Braun, gleichviel. Des Deutschen bedurfte man hier nicht. Der Frankfurter Allgemeinen nicht und allerdings auch nicht des Neuen Deutschland .
     
    Die Halle leerte sich, und der Seifenwagen des Reinigungsdienstes fuhr an ihm vorüber, wieder und wieder über die blank und blanker werdenden, polierten Platten. Wurde der Airport am Abend irgendwann dichtgemacht? Würde er womöglich auf die Straße gesetzt werden?
    Dafür war er nicht über den Atlantik geflogen, um sich hier ein Reinigungsmanöver anzusehen, obwohl es ihn interessierte, wie die Leute die Kaugummiplacken mit einem Heißwasserstrahl wegspritzten.
    Er versuchte es noch einmal mit dem Telefon, kling-klong-klöng … Philadelphia, New York - nichts. Der Apparat gab das eingezahlte Kleingeld zurück. Das war anzuerkennen.
     
    Aber Sassenholz! Sassenholz meldete sich: Marianne nahm fröhlich ab. Sie komme gerade aus dem Keller, Wasser aufsaugen und Kartons hochstellen … - Auch sie fand es sonderbar, daß er da allein am Flughafen steht und daß ihn niemand abholt. Ob er auch genau hingesehen hat, in den Papieren muß es stehen, fragte sie, vielleicht hat er nicht richtig nachgeguckt, wie das so seine Art ist?
    «Vielleicht erwarten sie dich am Ausgang? Irgendwo hinten?»Und:«Hast du heute schon deine Blutpille genommen?»- Sie bleibt noch am Apparat, er soll schnell nachgucken, ob jemand am Ausgang steht und auf ihn wartet, und ihr sofort Bescheid sagen.
    Nein, am Ausgang stand niemand.
     
    Er ging noch einmal zum Kiosk, ob sich da nicht doch eine deutsche Zeitung verkrümelt hat. Und er sah sich die Souvenirs an. Er mußte sowieso noch was finden für Marianne, für Schitti und für Klößchen. Ohne Mitbringsel stände man ziemlich nackt da. Originell war eine Miss Piggy aus rosa Gummi in einem rosa Gummiauto. Aber dafür würde Marianne wohl kein Verständnis aufbringen. Seinen Fotoapparat stellte er auf Blende 5,6 und fotografierte das«Welcome»-Schild. Das würde einen lustigen Effekt geben: das den Leuten später einmal schicken, aus Spaß.
     
    Er setzte sich wieder auf seine Bank und schloß die Augen. Allein in einem fremden Land. Warum war er nicht zu Hause geblieben! Was hatte ihn geritten, sich solchen Strapazen auszusetzen?
    Nicht lange saß er so da, da kam ein Beamter, tippte ihn an und sagte: Schlafen, das geht nicht, das darf er hier nicht, das ist verboten.
    Sowtschick holte den Reiseplan aus der Tasche und zeigte es dem Mann schwarz auf weiß: Er komme aus Deutschland, heiße Alexander Sowtschick und sei eingeladen von der Universität Philadelphia, und er warte darauf, daß man ihn abholt, aber es ist noch niemand gekommen.
    Er warte schon seit einer Stunde …
    Ja, da konnte der Beamte auch nichts machen. Schlafen jedenfalls, das ginge nicht, das könne er hier in der Halle nicht machen. Er solle doch in die Stadt fahren und sich ein Hotelzimmer suchen...
    Schlafen wollte Sowtschick in der Empfangshalle ja auch gar nicht. Er wollte in der Universität seinen Vortrag halten und dafür zweihundertfünfzig Dollar kassieren, die er dringend brauchte.
     
    Einen Augenblick dachte Alexander daran, sofort wieder nach Hause zu fliegen. Eine Maschine nach Frankfurt nehmen, Bremen - Am nächsten Tag würde er schon bei Marianne sitzen können und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen …«Schluß! Aus!»rief er und ging kurz entschlossen hinaus und nahm sich ein Taxi. In der Universität erwartete man ihn gewiß schon

Weitere Kostenlose Bücher