Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
längst:«Ja, wo stecken Sie denn, wir warten doch schon die ganze Zeit!»würde es heißen.
     
    Das sei aber’n ganzes Ende, sagte der schwarze Fahrer und fuhr los. Die Universität läge nicht in der Stadt, sondern ziemlich weit draußen. Zur Sicherheit tankte er seinen Wagen voll bis zum Eichstrich. Nun konnte nichts mehr passieren.
    Wo er herkommt und was er macht, fragte der Fahrer, und: Bis zur Universität raus, das sei’ne ganze Ecke. - Germany sei a nice town, fügte er noch hinzu und pfiff sich eins.
     
    Bald war die Stadt durchquert, und es ging durch einen Wald. Es war eine einsame Straße, die sie dahinfuhren, eine Landstraße, kaum ein Wagen begegnete ihnen.
    Leider zeigte das Taxameter nur die zurückgelegten Meilen an, keinen Fahrpreis. Alexander war in bezug auf den Fahrpreis auf Vermutungen angewiesen. Auf dem Flughafen hatten keine sozialen Damen gestanden, die gelbe Zettel verteilten, das mochte ein gutes Vorzeichen sein … Oder war es ein schlechtes? Er hatte noch hundert Dollar bei sich und dann die hübschen Schecks der Sassenholzer Raiffeisenbank. Einer für alle - alle für einen . Leider unbrauchbar in diesem Land. An der Universität würde es Nachschub geben, aber erst morgen! Sicher standen sie schon am Universitätsportikus, sicher doch, und fragten: Wo bleibt er denn? Wohl absolut schußlig, der Kerl? Wir stehen uns hier die Beine in den Leib.
    Einstweilen fühlte sich Alexander geborgen in dem Wagen, der stetig dahinfuhr, auf dem Meilenzähler war es abzulesen.
     
    Mal sehen, was der Tag noch brächte, vielleicht einen sich entschuldigenden, überhöflichen Professor? Er dann souverän, wir Deutschen sind da ganz cool, wir machen nicht aus der Mücke einen Elefanten.
    Und dann lustige Storys erzählen, die in der gleichen Richtung liegen. Wie man mal irgendwo zu spät gekommen ist, zwei Städte verwechselt hat oder das Manuskript vergessen.
    Was einem alles schon passiert ist auf Lesereisen! Nicht abgeholt werden, das ist noch am harmlosesten. Einen Termin vergessen, und der volle Saal wartet stundenlang!
     
    Die Fahrt war nicht gerade interessant. Links und rechts ein nasser Wald, in der Dämmerung recht trostlos. Da hätte man ja auch in Deutschland bleiben können.
    Nach einer Weile klopfte Alexander an die Trennscheibe: Ob der Fahrer es auch kapiert hat: Zur Philadelphia-Universität möchte er. Ist das hier richtig?
    Jaja, das hat er kapiert, sagte der Fahrer, und das ist hier richtig. Daß es ihm ganz unbegreiflich ist, nicht abgeholt zu werden in einem fremden Land, sagte er zu dem Fahrer, das sei fest vereinbart gewesen … Ob er mal eben Licht machen kann? Ja, das war zu machen, und dann guckte Sowtschick noch einmal auf seine Papiere - kein Zweifel: Philadelphia, Datum und Uhrzeit, alles stimmte.
    Also weiter im Text, bringen wir die Sache hinter uns.
     
    Alexander überließ sich nicht mehr seinen Träumen, er beugte sich etwas vor und verfolgte den Lauf der Straße, ob sie einen Rechts- oder Linksschwung macht. Ab und zu begegnete ihnen ein Wagen, dann wieder Linksschwung, Rechtsschwung. Jetzt ein Truck, nun eine Limousine. Kam denn keiner sie einholen? Hatten sich in der Uhrzeit geirrt, um Gottes willen, heute kommt ja der Deutsche? Nein, niemand hatte den Alarmblinker eingeschaltet:«Stopp! Gott sei Dank, daß wir Sie noch erwischt haben …»
    Und doch drehte Sowtschick sich jedesmal um, ob die vielleicht anhalten. Aber niemand hielt an, alle fuhren straight ahead.
     
    Es wurde dunkler und dunstig. Sollte hier denn, wie in«Psycho», irgendwann ein Haus auftauchen, in dem gemordet wird? Wartete Anthony Perkins auf ihn?
     
    Nach einiger Zeit klopfte Alexander wiederum an die Scheibe und fragte, ob es in Philadelphia vielleicht noch eine zweite Universität gibt? Das kann doch gar nicht sein, daß die so weit außerhalb liegt. Ob er sich vielleicht nicht klar genug ausgedrückt hat? Nein, sagte der Taxifahrer, es gibt nur eine.«You make me nervous! »- Dann mochten ihm aber doch Bedenken aufsteigen. Nicht ob er auf dem richtigen Weg ist, war die Frage, sondern ob er auch sein Geld kriegt? Der Mann da hinten hat so eine komische Mütze auf und so eine seltsame Jacke an. Germany? Von Germany hatte man schon so manches gehört …
    Der Sache mußte auf den Grund gegangen werden. Er stoppte, zog den Zündschlüssel ab und setzte sich zu Sowtschick hinten hinein.
    Und dann sahen sie sich gemeinsam den Reiseplan an: Da stand es ganz eindeutig: University of

Weitere Kostenlose Bücher