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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Philadelphia, 8 p. m. Professor Richmuller. Das war ohne Zweifel korrekt. Der Schwarze hatte sich sogar eine Brille aufgesetzt, wenn auch mit nur einem Bügel. Er sah nun nicht mehr in die Papiere, sondern dem Fahrgast direkt ins Gesicht.
    Ob er denn auch Geld genug bei sich hat?, fragte er. Da wär er mal neugierig … Alexander kriegte also seine Brieftasche heraus, und sie beugten sich gemeinsam über das Dings. Als der Fahrer die Schecks der Sassenholzer Raiffeisenbank zu sehen kriegte, wurde er aschfahl im Gesicht und stieß Flüche aus. Auch die DM-Scheine beruhigten ihn nicht, ein solches Geld war ihm unbekannt. Dem Mann rutschte das Herz in die Hose. Letzte Woche hat er schon so was erlebt, immer ihm passiert so was … Mein Gott!
    Endlich kriegte Sowtschick Dollars zu fassen, und da beruhigte sich der Mann. Er leckte sich den Daumen und zählte die Scheine. Das werde reichen, sagte er und gab sie wieder her.
     
    Die Fahrt dauerte so lange, daß Alexander schließlich dachte, sie hätten das Ziel verfehlt, schössen als irregeleitete Rakete vorbei an dem anvisierten Planeten, hinein ins schwarze Weltall … Aber dann waren sie schließlich doch da, kamen ganz regulär«an». Zunächst eine einzelne Straßenlaterne und dann das strahlend erleuchtete Ziel: ein Prachtbau, die Universität! Elegant fuhr der Wagen vor das Hauptportal. Sowtschick bezahlte, ließ sich einen«Receipt»geben und stieg mit seinen Taschen die Treppen hinauf. Noch wartete er, bis das Taxi davonfuhr, dann tippte er an den Schirm seiner Prinz-Heinrich-Mütze. Mit diesem Mann hatte man gute Erfahrungen gemacht, wie schade, daß man nicht gesprochen hatte mit ihm, was er so macht und Frau und Kind.
     
    Sowtschick betrat, mit den Taschen schlenkernd, die Eingangshalle der Universität. Die Taxe war fort, aber ein verzweifelter Professor war nicht in Sicht. Weder draußen noch drinnen. Da kam keiner um die Ecke gelaufen.
    Es war überhaupt kein Mensch zu sehen! Keine Jugend, die durch die Korridore stürmt, kein ernster Wissenschaftler, in Gedanken vertieft. Nur eine einsame Reinigungsmaschine kam den Wandelgang heruntergefahren. Die Bürsten unterwärts verrieben schäumende Seifenlauge gegeneinander, ein anderes Fabrikat als das, welches im Flughafen benutzt wurde. Sämtliche Reinigungsmaschinen des Landes mal nebeneinander herfahren lassen, und er dann auf einem Podest sich an die Prinz-Heinrich-Mütze tippen!
    Am Tresen saß eine überernährte Studentin vorm Bildschirm und blies ihr Kaugummi auf.
    «My name is Alexander Sowtschick. I come from Germany, and I’m invited from the German Department for a lecture today at eight o’clock p. m....»
    Das Mädchen riß sich los vom Bildschirm und sagte: Nein, heute abend ist hier nichts mehr, aber wenn das auf der Liste steht, die er da in der Hand hält, daß er hier einen Vortrag zu halten hat, dann wird’s schon stimmen.
    Er setzte sich auf eine Wartebank, und das Mädchen sah auf dem Bildschirm nach, ob hier heute noch was wär. - Nein, es war nichts mehr, auch in dem Vorlesungsbuch stand nichts von einem Mann namens Sowtschick.
    Am besten wäre es, er wartet drüben im Gästehotel der Universität, da könne er auch was Anständiges essen. Wenn Professor Richmuller dann anrücke, werde sie ihm Bescheid geben. Der Mann auf der Reinigungsmaschine, der seinen Apparat am Tresen zum Halten gebracht hatte, war derselben Meinung. Erst mal was essen, das andere regelt sich von selbst. Er selbst hält auch die Augen offen. Richmuller allerdings, einen Mann dieses Namens kenne er nicht.
    «Germany? Very interesting …»
    Nun doch schade, daß der Taxifahrer schon nach Hause gefahren war, der hätte ihm hier gut zur Seite stehen können, bezeugen, daß er per Flugzeug gekommen ist, und er hat ihn eigenhändig hergefahren.
     
    Alexander ging hinüber ins Gästehaus. Erst mal ein Zimmer haben und sich anständig waschen und dann essen, ja, das war ein guter Rat. Alles Weitere würde sich von selbst ergeben. An der Rezeption war man sehr höflich zu ihm. Ein Zimmer? Ob ein Zimmer auf seinen Namen gebucht sei? Zimmer? Alles frei noch. Wie war der Name? Sowtschick? Aber klar, das ließ sich machen.
    «My name is Alexander Sowtschick …»Wenn ein Professor Richmuller komme und nach ihm fragt, dann soll sie ihm Bescheid sagen, daß er auf seinem Zimmer sitzt und auf ihn wartet. Er sei nämlich eingeladen, einen Vortrag zu halten, aber es habe ihn auf dem Flughafen niemand abgeholt, die ganze Tour mit

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