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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Stadtfest im Sommer? Da werde auf dem Neumarkt ein Zelt aufgestellt. Ein lustiges Raus und Rein mit Blasmusik und Kölsch.
    Köln? Sollte er sich denn in die Bütt stellen? - Vor zwanzig Jahren hatte er in Köln mal gelesen, und damals hatte auch er umziehen müssen, von einem kleinen Saal in einen sehr großen. Sollte ihm jetzt das Gegenteil passieren? - Als er von Alexanders Malheur im WC hörte, lachte der Herr und sagte, daß die Türknäufe hier andersrum gedreht werden müssen als in Europa. Ihm wär das auch schon passiert. Meistens stünden die Türen offen, die Amerikaner schlössen keine Türen ab, damit man nicht dächte, sie trieben was Verbotenes.
    Als Alexander seine Krankheit referierte und von der Wasserspülung in dem vergitterten Hotel redete, die sich nicht abstellen ließ und womöglich noch immer vor sich hinlief, sagte der Mann:«Daß hier Wasserversorgung und Elektrizität überhaupt noch funktionieren, wundert alle.»
     
    Sowtschick saß mit dem Rücken zum Eingang, und er kriegte nicht so richtig mit, wie zu später Stunde im Windfang der Assistent aus Wuppertal mit jungen Leuten erschien, Studentinnen also, und schleunigst kehrtmachte, als er Sowtschick sichtete. War Jennifer dabeigewesen? Alexander war so, als hätte er sie gesehen.
    Schätzing?
     
    Schön warm war es in dem Jazzlokal und schummrig, dazu das Hinauf-Hinunter des Pianisten,«People, people who need people …»Wer war auf die Idee gekommen, hierherzugehen? Die Sekretärin mit der Hängebrille!
    Zu später Stunde quoll es aus dem Museumsmann unversehens heraus, daß er absolut unglücklich ist, seine Frau säuft und kann nicht mit Geld umgehen, und wenn er abends nach Hause kommt, muß er sich sein Essen selber machen … Daß Alexander an sich ganz glücklich verheiratet sei, seit fast vierzig Jahren, nahm er eher ungläubig zur Kenntnis. Um ihn zu erfreuen, dachte sich Alexander allerhand Ruppigkeiten aus, daß er mit seiner Frau nicht telefonieren kann, und sie kauft einen Teppich nach dem andern.
    «Was tragen Sie eigentlich für eine sonderbare Krawatte? Wollen Sie sich assimilieren?»fragte der Herr aus Köln.
    Er hatte auch beruflich einigen Ärger, und sein Sohn war leider«abgerutscht», wie er sagte. Im Grunde fand er das Leben zum Kotzen.
     
    Als Alexander endlich«nach Hause»kam, in seine kleine Schiffskajüte, sah er auf dem Bett einen großen Umschlag liegen. Er nahm ihn mit einer raschen Bewegung an sich.
    Aber ach, es war nicht etwa ein längerer Brief von Jennifer, die möglicherweise ihre Zurückhaltung erklären wollte, aus ihrem Leben erzählen, daß sie es sehr schwer gehabt hat in ihrer Kindheit oder wie oder was oder umgekehrt, ein glücklicher Mensch bisher, aber daß es ihr jetzt beschissen geht …
    Es war auch kein Brief von Marianne.
    Nein, es waren die Kindheitserinnerungen des Herrn Kirregaard, die auf seinem Bett lagen.
    Dr. Heiner Kirregaard
    Gleitflug
    «Versprochen ist versprochen!»stand auf einer Visitenkarte.«Ich habe Ihnen das Manuskript versprochen, hier ist es. Gucken Sie doch mal hinein …»Er sei nicht böse, wenn er es beiseite lege.

2. TEIL

12
    Gut gelaunt landete er in Philadelphia. Die kleinere Tragetasche am Gurt über der Schulter, die große unförmige in der Hand, immerfort von links nach rechts wechselnd und sich mit ihr in die Kniekehlen schlagend.
    Das Flugzeug landete zur festgesetzten Stunde, aber es war niemand da, der ihn abholte. Sowtschick musterte die Wartenden, die ihre Leute in Empfang nahmen, einen nach dem andern; aber wie aufmerksam er sich auch umblickte, er gewahrte kein aufmerkendes Gesicht, keinen Menschen mit einem Schild, auf dem sein Name stand.
    So machte es sich Alexander denn erst mal bequem. Immer mit der Ruhe, dachte er, öffnete den Parka, nahm die Mütze ab und sah sich um. Kein Zweifel, er befand sich in Philadelphia. Und auf dem Reiseplan stand: Ankunft 4 p. m., also auf mitteleuropäisch sechzehn Uhr. Er lauschte eine Weile den Ansagegongs, und dann ging er zum Welcome Point, aber da stand auch niemand.
    Also zur Information: My name is Alexander Sowtschick, I’m invited by the University … - Nichts, kein Mensch, keine Nachricht, kein Nichts, kein Garnichts? Wie war das möglich? Telefonieren! Das war’s. Er wählte die Telefonnummer der Universität, aber da nahm niemand ab.
    Deutsches Institut New York - auch niemand.
    Sassenholz? Von dort war zu dieser Stunde keine Hilfe zu erwarten. Dort schlief man jetzt, wie immer, wenn

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