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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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dem Taxi, ganz schön teuer …
    Teuer? Ob er mal seine Creditcard vorzeigt? - Was ist denn das für ein ulkiges Ding! Nein, darauf kann man nichts geben, aber die Dollars tun es auch, die reichen wahrscheinlich grade eben.
     
    Das Zimmer war exquisit, rötliche Holztäfelung, breites Bett, geräumiges Bad mit altmodischen Wasserhähnen über den Becken. In diesem Hotel schienen betuchte Eltern abzusteigen, die ihre Sprößlinge besuchen wollten, ob die auch alle fleißig sind. Alexander hängte seine Mütze an die Tür und bestellte Hirschbraten mit Kartoffelgratin und spanischem Schmorkohl, dazu eine Flasche Rotwein und hinterher Reisspeise. Und dann wusch er sich gründlich. Die troubles abspülen, ein neuer Mensch werden, ganz von vorn anfangen.
    Eben noch mal die Rezeption anklingeln. Richmuller? Nein, hier hat sich noch nichts getan.
    Aber daß man offenbar von seinem Kommen wußte, beruhigte Alexander. Es war doch so gewesen? Als er nach dem Zimmer fragte, war es doch so, als ob man ihn erwartete. Hatte die Frau nicht«Ah, Sowtschick!»gesagt?
     
    Er stellte den Fernsehapparat an und sah sich dasselbe an, wie die Studentin an ihrem Tresen. Heckle und Sheckle, die beiden Krähen - lustig! Alexander lachte Tränen.
     
    Schon bald kam das Essen, ein Tisch wurde in die Mitte des Zimmers gerollt, weiß gedeckt, alles unter Nickeldeckeln. Von einem, der auszog, das Gruseln zu lernen … Und dann steckte Sowtschick sich die Serviette in den Kragen und schmauste nach Herzenslust.
    Er prostete seiner Mütze zu und war guter Dinge. Ja, es war ihm so, als ob man ihn hier erwartet hätte. Die Frau hatte ganz ohne Zweifel«Ah, Sowtschick!»gesagt. Oder?
    Eben noch mal Marianne anrufen. Die wartete gewiß schon darauf zu erfahren, wie’s ausgegangen ist.«Na, also!»rief sie.«Alles hat seine Richtigkeit, du bist immer gleich so panisch … Und immer sind die andern schuld!»
    Sowtschick legte auf, und Marianne mochte sich jetzt dem Veranstaltungskalender zuwenden, mal nachgucken, was man am Abend unternehmen kann.
    Und morgen würde sie nach Travemünde fahren, das war ausgemacht, da dann Funkstille einlegen, man hatte schon heute nicht mehr mit einem Anruf gerechnet.
     
    Sowtschick aß. Die Serviette im Kragen, bloß keinen Fleck auf diesen Schlips kriegen, das war immerhin ein Erinnerungsstück der besonderen Art. Jennifer, ein sprödes Geschöpf. Hatte sie ihm nicht die Zunge herausgestreckt?
    Wie zappelnde Fische zogen die Eindrücke der letzten Tage an ihm vorüber. Das Mädchen Jennifer, braunhäutig und mit flaumigen Wangen, verschwand in den Kulissen, entschwebte in den Bühnenhimmel, weit weg. Dafür meldete sich Freddy. Je weiter er reiste, desto unwahrscheinlicher war es, daß er in ihre Nähe käme. Santa Barbara - noch einmal an der Friedhofsmauer vorbeigehen … Eine weiße Eisverkäufermütze hatte sie getragen, mit rotem Pompon. Sie hatten einander schreiben wollen, aber das war natürlich unterblieben.
    Achtzehn mochte sie damals gewesen sein.
     
    Als er sich Wein nachgoß, dachte er zurück an seine Anfänge, an den Mittagstisch im verrauchten Restaurant des Dammtorbahnhofs, an die Leute vom Funk, die ihn nicht für voll genommen hatten, als jungen Dachs bezeichnet. Leute waren das gewesen, die als Sportreporter die Olympiade 1936 kommentiert hatten und später dann Propagandakompanie... Aber er hatte die Kurve gekriegt, dank Mariannes Hilfe. An die kleine grüne Baracke in Sassenholz dachte er, und daß Marianne«zu ihm gestoßen war», wie es später ausgedrückt wurde. Zunächst nicht, und dann doch. Zu ihm gestoßen, als noch nichts zu holen gewesen war, und natürlich zu ihm gehalten, als dann Wohlstand sich einstellte, trotz aller Kapriolen.
    An das Körbchen mit den Strohblumen vorm Fenster mußte er denken, das ihn immer so gestört hatte, von Marianne hingehängt, für die Ewigkeit gedacht. Und er es dann heimlich abmontiert und sie gesagt: Gott sei Dank, endlich ist das Ding weg.
     
    Er wischte sich den Mund und faltete die Hände wie zum Nachtgebet. Er dankte Gott, daß es ihm wieder besser ging, keinerlei unwirkliche Gefühle mehr und eine wundervolle Leichtigkeit des Leibes. Es muß erst zu Komplikationen kommen, ehe man sich seiner Gedärme dankbar erinnert. Einen Hamburger würde er jedenfalls nie wieder essen.
    Um Viertel nach acht Uhr ging Sowtschick hinunter in die Hotelhalle. Nein, hier war nicht nach ihm gefragt worden. Kein Professor Richmuller und niemand sonst.
     
    Er ging

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