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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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hinüber ins Hauptgebäude der Universität, in dem sich inzwischen Menschen hätten einstellen müssen, die nach ihm verlangten, Eintrittskarte in der Hand, auf den letzten Drücker noch ergattert … Er stellte sich zu der Studentin an den Tresen, aber die sagte, nein, hier ist nichts, hier hat niemand nach ihm verlangt, und hier ist heute abend auch nichts mehr los, sie hat grade noch mal nachgeguckt …
    Nun war guter Rat teuer. Für das Zimmer würde das Geld wohl reichen, und auch für das Essen. Aber die Rückreise im Taxi! - Und würde ihm das Honorar überhaupt ausbezahlt werden, wenn er nichts getan hatte dafür?
    Er studierte den Veranstaltungsplan wieder und wieder und ganz genau, und die Studentin half ihm dabei - kein Zweifel, hier war er nicht gefragt.
     
    Leider war Richmuller nicht mehr in seinem Zimmer, das hatte die Studentin schon erforscht, da war alles Telefonieren umsonst. Auch keine Sekretärin mehr da? … In sämtlichen Räumen war bereits das Licht ausgeschaltet. Wenn Schluß ist, ist Schluß, so ist das eben.
    Sowtschick bat um Richmullers private Telefonnummer, damit er ihn zu Hause anrufen kann und ihm sagen, daß hier der Schriftsteller Sowtschick aus Deutschland am Tresen steht und nicht vorgelassen wird. Und ihn fragen, was das zu bedeuten hat. Eine Privatnummer existierte nicht. Der Mann hatte wie alle anderen Professoren dieser Hochschule eine Geheimnummer, damit die Studenten keinen Ulk mit ihm trieben. Der saß jetzt irgendwo in der Stadt, neben einem stillen, stummen Telefon und studierte die Gedichte von Stefan George, über die er vor zwanzig Jahren in Heidelberg promoviert hatte.
     
    Alexander setzte sich auf die Wartebank. Es ging bereits auf halb neun, die elektrische Uhr zeigte es ruckend an.
    «Was soll ich bloß machen?»fragte er sich. Handelte es sich hier vielleicht um ein abgekartetes Spiel? Galt es ihm als Deutschem? In New York hatten sie ihm doch noch extra gesagt, daß sich die Leute in Philadelphia hüpfend gefreut hätten, in die Hände geklatscht, daß sich das noch habe deichseln lassen, das Dazwischenschieben. Extra darauf bestanden, daß er diesen Umweg macht, und gerade noch so eben zwischengeschoben …
     
    Der Betrieb in dem großen Gebäude war inzwischen völlig zum Erliegen gekommen, die Reinigungsmaschine war in ihre Garage gefahren worden, und nur ab und zu ging noch ein Student durch die Halle. Es war immer derselbe Student, ein kraushaariger Typ mit einer roten 88 auf dem Hemd, der guckte Alexander an.
    Schließlich stoppte er und fragte, was denn wär? Irgendwelche troubles? Könne er helfen?
    «Ja!»sagte Alexander.«My name is Alexander Sowtschick, I am a novellist, and I come from Germany and I’m invited …»und so weiter.
    Ja, da kann er auch nichts machen, wenn Professor Richmuller eine Geheimnummer hat, dann hat er eine Geheimnummer. Alle Professoren an dieser Universität haben eine Geheimnummer, weil sich die Studenten sonst einen Jux machen und sie aus dem Bett klingeln mitten in der Nacht.
     
    Der Student setzte sich neben Sowtschick und erzählte, daß er aus Rumänien kommt und slawische Sprachen studiert. Mit seinen Eltern zusammen über Italien in die Staaten gekommen. Vom Kommunismus habe er die Nase voll … Auch die Studentin beugte sich vor und hörte sich Geschichten vom Geheimdienst in Rumänien an, was das für Schweinepriester sind, die Kommunisten, indessen auf dem Fernseher Sportler über den Bildschirm stürmten. - Aber, Moment mal, er hat da eine Idee!, rief der Rumäne und lief davon. - Es war zu spät hinterherzulaufen - Alexander sackte zurück. An diesen Mann hätte man sich hängen müssen, der Zipfel des Glücks war hinweggerutscht … Nun würde er weiterhin allein bleiben.
     
    Er versuchte noch einmal New York zu kriegen, was er machen soll, klingel, klingel, klingel - nichts zu machen. Bei Marianne, von der er sich hätte Trost spenden lassen können, nahm niemand ab, die hatte es wohl satt.
    In so einer Lage dem Mann nicht beizustehen!
     
    Endlich kam der junge Mann zurück, ganz verändert. Er rief schon aus einiger Entfernung: Okay! Kommt in Ordnung die Sache! Er habe seinen Doktorvater angerufen, und der hat den Richmuller angerufen, der sein Freund ist, und der sitzt zu Hause und weiß von nichts! - Sowtschick solle einstweilen in die Mensa gehen und essen, was immer er will, Eis oder Kuchen - soviel er will und was er will -, gleich wird irgend etwas passieren.
    Sowtschick setzte sich also in die

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