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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Motorbooten herum», sagte der Professor,«und alle haben sie das Radio an. Hier ist es nur im Herbst auszuhalten. Schon wegen der Moskitos.»
    Die Zeit war um, sie stiegen aus dem Wasser, trockneten sich ab, setzten sich ins Auto und schliefen sofort ein.
     
    Nach einer Stunde erschien ein Wasserflugzeug und landete gischtig auf dem See.«Look there!»Das kam ihretwegen! Man wollte sie abholen. Ein Arrangement, das der Professor getroffen hatte. Sonst hätte man noch volle acht Stunden die Schotterpiste genießen dürfen.
    Der Pilot war Reservatsbeamter, der mußte sowieso zu den Indianern, und da hatte sich das angeboten.
    Sie schlossen das Auto ab, und schon erhob sich das Flugzeug, und sie flogen einen weiten Bogen über den Teppich der grünen Wipfel, bis an den Horizont grün, ab und zu ein blanker blauer See.«Look there!»Der Wald da unten sei nicht ungefährlich!, wurde ihm ins Ohr geschrien.
    «Darin hat sich schon mancher verirrt! Eben ein Stückchen hineingegangen und nie wieder rausgefunden, und dann von den Bären oder den Pumas zerfleischt. Füchse, Wölfe...»
    Daß man sich, wenn man sich verirrt hat, bemerkbar machen müsse mit einem Feuer. Manchmal werde man dann gefunden … Aber wie Feuer machen ohne Streichholz? Ernähren könne man sich notfalls von einer speziellen Art Pumpesel, der hier in Mengen wachse. Im übrigen sei man dabei, das an sich nutzlose Pappelholz in Viehfutter zu verwandeln, durch Schreddern und Ausscheidung unverdaulicher Fasern. Die Erfinder seien schon kurz vor dem Durchbruch.
    «Mit diesen Wäldern allein kann man die gesamte Menschheit eine Woche lang ernähren, wenn’s hart auf hart kommt.»
     
    Bald waren sie am Ziel. Das Flugzeug wasserte in der Bucht eines wilden Flusses, des Athabasca - so und soviel tausend Meilen lang -, unweit eines Indianerdorfs, das den Namen«Swiftpile»trug. Es lag mitten in der Reservation und bestand aus ein paar Baracken und ausrangierten Wohnwagen.
    Kinder kamen herbeigelaufen und Hunde, und auch Männer und Frauen, Blackfoot-Indianer, ohne Federschmuck natürlich und ohne Kriegsbemalung, zerlumpte Leute, armselig und drekkig. Strähnige Frauen und verlotterte Männer. Ein bißchen wie rumänische Zigeuner. Die Kinder niedlich wie alle Kinder auf der Welt.
     
    Der Professor erklärte ihm mit lauter Stimme das Reservat. Er redete über die danebenstehenden Indianer, als ob die taub wären, und sie waren es wohl auch, denn sie reagierten nicht.«Alles Taugenichtse, liegen den ganzen Tag auf der faulen Haut.
    Obwohl sie fischen und jagen gehen könnten wie in alten Zeiten, liegen sie in ihren Hütten und saufen.»Es sei natürlich wesentlich bequemer, Wohlfahrtsgeld zu kassieren, als zu arbeiten!
     
    Die Indianer ließen sich nichts anmerken. Ein zahnloser Mann, der eher harmlos aussah, kam herbei und fragte nach Schnaps.«Obwohl er genau weiß, daß es verboten ist, Schnaps mitzubringen! »sagte der Professor.
    Baracken und Wohnwagen. Im Winter ziemlich ungemütlich und im Sommer von Moskitowolken umschwirrt. Die Männer meistens betrunken, die Frauen auch, prügelten sich grün und blau, das sei neben dem Saufen ihre einzige Beschäftigung. Nur die Kinder nicht, die faßten sie nicht an. Schrottautos und Wohnwagen auf den Felgen. Wäsche. Und Pappelwald drum herum, in dem man auf gar keinen Fall spazierengehen sollte. Erstens gibt’s da nichts zu sehen, und zweitens findet man nicht wieder heraus: wilde Tiere: Schlangen, Bären und Pumas.
     
    In der Mitte des Dorfs stand ein Kaufmannsladen -«Look there!»-, in dem alles zu beziehen war außer Schnaps. In der Tür stand ein rothaariger Ire: Er war der einzige Weiße in dieser Siedlung, Ende des Krieges war er hier hängengeblieben. Als der Mann hörte, daß Alexander Deutscher sei, nahm er die Hände aus den Taschen. Mit den Deutschen hatte man im Krieg sympathisiert.
    Als Alexander sagte, er sei mal in Belfast gewesen, da schlug die Stimmung um. Mit den Brüdern habe er nichts zu tun, das seien zwar auch Iren, aber was für welche!
     
    Am Fluß, der ohne Unterlaß vorüberwütete, rasend schäumte und gelblich strudelte, saß eine Studentin, die Material sammelte über die Unterdrückung der Indianer, die noch immer gang und gäbe sei. Ein zierliches Persönchen mit Blatternarben auf den Wangen.«Sieh an», dachte Alexander und hockte sich juvenil zu ihr, und sie kamen sofort ins Gespräch.
    Er für seine Person sei Schriftsteller, sagte Sowtschick, sich ächzend

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