Letzte Gruesse
aber wenig wirkungsvoll.
Auf dem Gelände war nichts los, außer ein paar Joggern, die hier Runden drehten. Alexander versuchte eine Flanke über den Zaun, blieb aber hängen. Hatte er denn keine Spannkraft mehr?
Die Mondfahrer hatten es mit dem Springen leichter gehabt.
Viele Gebäude standen leer,«aber alle werden beheizt», sagte der Ingenieur und guckte Alexander triumphierend an: Was das für eine Verschwendung ist! Ihm hatten sie gekündigt, aber die Hallen heizten sie. Es war zu erwarten, daß die USA an ihren Widersprüchen zugrunde gingen.
In der Eingangshalle zum Ausstellungsraum lag Mondgestein unter Panzerglas, wie einer Schlackenhalde entnommen, das war ganz interessant. Alexander hätte es gern berührt. Ein Gramm ist eine Million Dollar? Wäre ihm dann der Finger abgefault?
Neben dem Mondgestein hing ein Foto von Armstrongs Fußabdruck. - Man müßte den Fußabdruck der Urmenschen danebenhängen, dachte Alexander, eine Million Jahre alt?
In den Ausstellungshallen hingen Astronautenanzüge, da stand auch die in Goldblech eingewickelte Mondfähre, eine Geminikapsel und eine Vitrine mit Astronautennahrung. In einer anderen Halle war das geräumige Weltraumlabor zu sehen, mit Dreieckraster auf dem Fußboden, in das sich die Astronauten mit ihren Hacken einstanzen konnten, damit sie nicht herumschwebten in der Kapsel: eine einleuchtende Erfindung. Auch der Kontrollraum des Weltraumzentrums mit einhundertzweiundzwanzig Bildschirmen durfte besichtigt werden, nur ein einziger war in Betrieb, der zeigte an, wo sich ein bestimmter Satellit gerade befand. Einsam zog er seine Kreise. Was sich in der Welt gerade ereignete, war auf den Bildschirmen nicht zu empfangen. Vielleicht war im Raketenzentrum der Sowjetunion jetzt dasselbe zu sehen?
Eine Schulklasse lärmte über die Stühle hinweg, auf denen schon Koryphäen gesessen hatten, Wegbereiter des neuen Jahrtausends. Der Lehrer winkte zu Alexander herüber: So ist die Jugend nun mal, und Alexander winkte zurück: Laß sie nur! Laß sie nur.
Im Kiosk stauten sich die Schüler. Alexander hätte sich gern den Mondglobus angesehen, aber er konnte nicht vordringen zu dem Regal. Eigentlich hätte sich ja jeder Mensch einen solchen Apparat kaufen müssen, wozu sonst die Mondlandeaktion? Die der Erde abgewandte Seite des Mondes, hier konnte man sie, auf Pappe geklebt, endlich besichtigen. Aber klug wurde man daraus nicht. Wenn es einen Bleistiftanspitzer in Form eines Mondes gegeben hätte - das wäre etwas für die Enkel gewesen …
Als Kind hatte Alexander mal eine Flaschenpost verschickt, nie wieder was davon gehört.
Zur Lesung brauchte in keinen größeren Saal umgezogen zu werden. Alexander suchte Frau von Rutenigk unter den Menschen, die hereinkamen, aber sie war nicht dabei. Es erschienen im wesentlichen heimatkranke Deutsche, und die Texte, die er las, fielen auf fruchtbaren Boden.«Er nahm sie in die Arme», hier wurde so etwas verstanden, auch ohne daß Alexander seine Zuhörer gestikulierend und einigermaßen fiebrig angeguckt oder einen Haufen bunter Tücher aus seiner Mütze gezogen hätte.
Nach der Lesung fuhren die Institutsleute, die allesamt seine Bücher natürlich nicht gelesen hatten, wie sie immer wieder sagten, mit ihrem deutschen Gast in ein Antiquitätenlokal, wo sie an einem schweren Eichentisch auf Farmerstühlen Platz nahmen. (An der Wand das Bild: Washington fährt über den Delaware.) Zu Harfenmusik wurde veredelte Sklavennahrung serviert: Maniok, Bohnen in allen Farben, dazu scharfe Saucen und saure Milch.
Sie bekamen einen Platz am Fenster. Dort unten, vor ihnen ausgebreitet, lag die erleuchtete, blinkende, blitzende Stadt. Der Vollmond stand einigermaßen ratlos darüber.
Zwei Professoren stießen dazu, mit Gattinnen, die aßen auch Sklavennahrung. Mit denen müsse er sich gut stellen, war gesagt worden.
«Stellen Sie sich mit denen gut, die sind einflußreich.»
Aber wieso grade mit denen? dachte Sowtschick. Muß man sich denn nicht mit allen Menschen gut stellen? Alexander brauchte niemanden, er hatte sein Auskommen. Es war fraglich, ob diese Herrschaften ebenfalls ein Landhaus mit Schwimmgang besaßen, mit Hausorgel und Bibliotheksgalerie, ein Anwesen, das bereits in der Zeitschrift Form abgebildet worden war?
Die dezente Harfenmusik war so laut, daß Sowtschick die Hand hinters Ohr legen mußte, wenn er den germanistischen Persönlichkeiten am Tisch lauschen wollte, die sich
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