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Letzte Gruesse

Titel: Letzte Gruesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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auflöste, wenn er das Boot in der Badewanne schwimmen ließ.
    Wenn er, vielleicht in ein paar Jahren, wieder einmal in diese Gegend käme, dann gäbe es diese Indianerkanus vielleicht auch noch zu kaufen, aber vielleicht würden die Figuren dann aus Plastik sein?
    Alexander schlenderte den Hang hinauf, der kleinen Farm mit den blanken Silotürmen entgegen. Die Gebäude der Farm waren in Ochsenblutfarbe bemalt, und die Silos spiegelten ihm Sonnenstrahlen ins Auge. Er ging, wie man in Deutschland gehen würde, also«spazieren», als«Fußgänger», die Hände auf dem Rücken. Ein weißes Pferd kam an den Zaun getrabt und schnaubte. Es wollte sehen, wer das da ist: Kommt zu Fuß den Weg herauf? Bin ich hier in Santa Barbara?, fragte er sich. Nein, ich bin hier nicht in Santa Barbara, und hier hat nie ein Mädchen auf einer Mauer gesessen, hier gibt es überhaupt keine Mauer.
     
    Neben der Einfahrt zum Gehöft stand ein Korbstuhl, in dem saß ein alter Mann mit Hut auf dem Kopf. Alexander grüßte ihn und sagte, daß es gutes Wetter ist, nicht wahr? Und dann sagte er, daß er aus Deutschland kommt und Schriftsteller ist und sich die Gegend etwas anschaut. Da oben liegt ja noch Schnee … Der alte Mann rührte sich nicht. Alexander sah, daß ihm Speichel aus dem Mund troff. Soll ich ihm das wegwischen?, dachte er. Das muß ihm doch jemand wegwischen?
    Das weiße Pferd galoppierte davon, keilte aus und schlug mit dem Schwanz. Für dieses Tier war es auch was Neues, daß hier ein Mensch an die Pforte kommt, mit einer sonderbaren Mütze auf dem Kopf.
     
    Sowtschick konnte hier nichts ausrichten.«Skandinavien», dachte er,«ich bin hier in Norwegen», der Sommer in Skøhavn … dreißig Jahre her, die ganze Familie … Auch er hatte, wie alle andern deutschen Väter, der Familie etwas bieten wollen, damit Marianne es der Schwägerin erzählen konnte: Wir waren in Norwegen, und es war wundervoll gewesen, und es war wichtig, damit die Kinder es für später in Erinnerung behielten, was für ein wundervoller Vater er gewesen war.
    Skøhavn - das war auch so ein kleiner Hof gewesen, wie hier, wenn auch ohne Metallsilos, und man hatte eine schöne Aussicht über das Meer gehabt.
    Alexander kehrte um. Und als er sich umdrehte, war er erstaunt, nicht, wie damals, die ausgebreitete See zu sehen mit kleinen Eisschollen darauf, sondern nur den«Yodler»und eine nicht endende Schlange von Autos, die daran vorüberfuhren, eins nach dem andern, mit Skiern auf dem Dach, den Bergen entgegen.
     
    Plötzlich erschien in seinem linken Auge das gezackte Horn, ein gezackter Halbmond, scharf abgesetzt, und sich einbrennend - er stand still und sah die gezackte helle Sache an, und er wußte, daß damit nicht zu spaßen war. Gefährlich, gefährlich!, dachte er. Und er rührte sich nicht. Aber allmählich verblaßte die Erscheinung, wurde schwächer und schwächer und reduzierte sich auf einen Punkt, der dann in sich zusammenfiel.
    Ich hätte nicht baden sollen, dachte er, das heiße Wasser … und mich hinterher hinlegen. Warum bin ich auch hier hinaufgestiegen. Wer macht denn auch so was? Wozu hat es getaugt?
     
    Er ging den Weg hinunter, und siehe da, es kam ihm ein Polizeiauto entgegengestaubt, hielt an, versperrte ihm den Weg. Was er hier zu suchen hat? Spazierengehen? Wieso?
    Alexander sagte:«My name is Alexander Sowtschick …», und er zeigte auf das«Yodler»-Hotel, daß er da wohnt. Und daß er hier herumläuft, um sich Bewegung zu machen. Einen Augenblick lang sei er allerdings stehengeblieben, weil ihm ein gezacktes Horn vorm linken Auge erschienen ist.
    «You know?»
    «No.»
     
    Er mußte seinen Ausweis zeigen, und dabei fielen den Polizisten die Dollarnoten in der Brieftasche auf, Herrgott, das war ja ein Vermögen!
    Er mußte einsteigen in den warmen, weichen Wagen, und man fuhr ihn die paar Meter hinunter bis zum Hotel.
    An der Rezeption bestätigte man es, daß dieser Gentleman ein Gast des Hauses ist, ein deutscher Dichter. Also ein bißchen verrückt.
    Die Polizisten sagten, das soll er nicht wieder machen, durch die Gegend vagabundieren, er hat doch auf der Farm gar nichts zu suchen. - Ständig werden hier die schönsten Pferde abgeschlachtet auf der Weide, bestialisch! Ob er ein Schlachtmesser bei sich trägt, und was das ganze Geld soll?
     
    Alexander legte sich aufs Bett und schlief ein. Und als er nach zwei Stunden erwachte, träumte er noch eine Weile weiter. Er sah seine beiden Kinder, als sie noch klein waren,

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