Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
sauberen Justiz, und Ihr bisheriger Werdegang zeigt, dass Sie für Ihre Überzeugungen einzutreten in der Lage sind. Sie nehmen Wirklichkeit nicht einfach so hin, Sie wollen sie verändern, Ihrer Vision anpassen, und wie es der Zufall will, ist Ihre Vision auch meine Vision. Sie wollen die reine Justiz ohne Einmischung von Politik, bei der Sache werde ich Ihnen später helfen, und ich will in meinem Oberabschnitt eine reine und saubere SS. – Einen Schnaps zum Kennenlernen, Kurt?“
    „Wenn Sie erlauben, wenn man zweimal sein Amt verloren hat, wenn man einmal degradiert und an die Front strafversetzt wurde, wenn man von der Ostfront zurückgeholt und in die alte Uniform gesteckt wurde, dann, denke ich und wenn Sie erlauben, dann sind das Gründe genug, erst einmal nüchtern zu bleiben, um sich voll auf die neue Aufgabe konzentrieren zu können.“
    Waldeck Pymont nickte, schickte die Ordonanz weg und deutete Schmelz an, ihm vom Arbeitszimmer in die Bibliothek zu folgen. Er ließ ihn eintreten und zog dann selbst die beiden hohen Türflügel zu, ehe er sich umdrehte und meinte, hier seien sie ungestört und bequemer sei es hier auch.
    Schmelz sah mit Regalen bedeckte Wände. Überall standen goldverzierte Bücher, deren Rücken unverbraucht aussahen. Mitten im Raum standen mehrere Ledersessel mit breiten Armlehnen um einen ovalen, flachen Tisch, auf dem Gläser und Wasserkaraffen standen. Auch fand sich eine Zigarrenkiste sowie ein großer Aschenbecher auf der Tischfläche, und Schmelz sah auch kurz zum Kristallleuchter auf, der von der Decke hing, und hinüber zu den anderen Leuchtern, die in den Ecken auf elegant geschwungenen, in sich verdrehten Holzsäulen standen, deren Enden mit afrikanischen Ornamenten verziert waren, die Elefantenrüssel und Hörner von Nashörnern zeigten; tief drinnen, Kurt Schmelz glaubte, in der äußersten Tiefe der Macht angekommen zu sein. Nichts war umsonst und niemand starb vergeblich! Schmelz setzte sich nach einer entsprechenden Aufforderung und bekannte, überzeugt, ein gesundes Maß an Ehrlichkeit bei Dingen, die unkompliziert waren, sei gut für den Aufbau einer Beziehung: „Ich komme mir vor, wie in einer anderen Welt, dabei ist nur ein Anderer in der gleichen Welt!“
    Ein Philosoph, der aus seinen Taten lernen konnte! Donnerwetter! Der alte Prinz war einen Moment lang überrascht und beeindruckt, ehe er sich genötigt fühlte, Ehrlichkeit mit Ehrlichkeit zu beantworten, und erwiderte: „Ich mag Pragmatiker wie Sie, Kurt!“
    Er stand noch einmal auf, schloss die beiden Fenster, goss aus der Bleikristallkaraffe Wasser in zwei silberne Kelche, rückte den ausladenden, silbernen, mit Odinmotiven geschmückten Aschenbecher in die Mitte des Tisches, bot Schmelz eine Zigarre an und sagte: „Aus Kuba. Eine kleine Insel irgendwo in der Karibik, glaube ich. Gibt es heute kaum noch, solche Zigarren meine ich, nicht die Insel! Habe aber schon vor dem Krieg vorgesorgt, sollen die besten der Welt sein, habe Himmler schon geraten, sie uns zu holen, die Insel meine ich, nicht die Zigarren! – Das glaub ich gern, dass Sie sich wie verwandelt fühlen, ging mir nach dem Krieg achtzehn-neunzehn ähnlich. Kam kriegsversehrt hierher, in dieses Familienschloss zurück, übler Gasangriff, elende Sache damals! Musste meine eigene Gasmaske einem Soldaten geben, der seine vergessen hatte, aber der hat es dann doch nicht mehr geschafft! Ein ganz junger Kerl, war aber zu spät, hat es nicht überlebt, dieser junge Mensch! Tut mir heute noch leid! Verdammt leid! Würde ich gern wieder gutmachen, wenn ich könnte.“
    „Sie aber haben es überlebt, Obergruppenführer, und somit habe auch ich die Front erst einmal überlebt“, sagte Schmelz, unsicher, ob er zu plump dazwischengefahren war, und froh, als der Erbprinz nicht auf dieses Gleichnis einging und fortfuhr: „Sie haben bestimmt eine schwere Zeit durchgemacht. Habe übrigens lange nach Ihnen suchen müssen, Kurt! Nach der Lektüre Ihrer Dissertation und dem Studium Ihres Werdegangs war mir klar, dass nur Sie der richtige Mann sind, Kurt, der Mann, den ich heute brauche und der morgen von mir alles verlangen kann! Wer hätte Sie auch in der Division Wiking vermutet? Bei den Söldnern, die doch alle ihre eigene Heimat verraten haben! Wir zwingen andere zum Verrat und verachten sie dann! Muss eine schwere Zeit für Sie gewesen sein, Kurt, bei den ganzen Verrätern und Vandalen.“
    „Das hat damals Obergruppenführer Berger

Weitere Kostenlose Bücher