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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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und es war plötzlich bei Gott, der wütend den Amerikanern in den Arsch trat und sie aufforderte, endlich an der Seite der Roten Armee dem Schrecken ein Ende zu machen.
    Und so kam im Herbst zweiundvierzig der Geist von Dragowerts Dregen an das Ufer des Mississippi, und die Nachfahren der Sklaven und Unterdrückten zögerten nun keinen Moment mehr, um mit ihrem Präsidenten Tacheles zu reden. Der Geist von Dragowerts Dregen kam auf die Erde zurück und half, das Elend zu beenden. Er wurde geschickt von Gott, und er sprach als wesenlose Stimme in den Theaterstücken mit, die zur gleichen Zeit in New York aufgeführt wurden. Zu großen Bühnenereignissen wurden das Stück ‚Wir sind noch einmal davongekommen‘ von Thornton Wilder und das Cowboyballett ‚Rodeo‘ von Aaron Copland“, endete der Zeuge abrupt, woraufhin ins Dienstzimmer ein Moment der Stille und der Verwirrung einkehrte.
    „Und Sie sind bereit, das als Zeuge vor Gericht auszusagen?“, fragte Liebig, die Anspielung auf die Theaterstücke übergehend, den Mann, der mit Tränen in den Augen nickte.
    „Sie beschwören, dass Hackmann zu dieser Tötung keinen Befehl von Koch oder einem höhergestellten Offizier der SS hatte?“, fragte Liebig.
    „Ja, das kann ich beschwören. Er hat es einfach als Vorstellung gemacht. Er hatte keinen Befehl dafür. Nichts wurde verlesen, gar nichts. Willkürlich wurde Dragowerts Dregen ausgesucht. Ich weiß es wie heute, es war der achtundzwanzigste Oktober zweiundvierzig, es war der Tag, an dem in München die Oper ‚Capriccio‘ von Richard Strauß uraufgeführt wurde.“
    „Das ist, egal ist das! Uns interessiert Theater nicht! – Dann hat dieser Hackmann also aus niedrigsten Motiven gemordet. Es ist ein persönlich motivierter Mord, der nichts mit den Befehlen aus Berlin zu tun hat“, sagte Liebig leise: „Damit ist dieser Hackmann überführt. Er wird hängen!“
    „Er wird sagen, der Junge sei ein Zigeuner gewesen und er habe Auftrag gehabt, die Zigeuner zu töten“, warf der Ermittlungsrichter aus der dunklen Ecke leise ein, in der er noch immer saß.
    „Vielleicht, aber war der Junge wirklich ein Zigeuner? Was, wenn ich etwas anderes herausfinde?“, sagte Liebig und grinste seinen Vorgesetzten an: „Sie wissen doch, dass sich ab einem bestimmten Grad sowieso alles vermischt. Sie haben doch gehört, der Junge war ein Waise! Von einem Waisen kennt man oft nicht die wahren Eltern! Was, also, wenn ich den wahren Vater finde? Und dieser Vater ist kein Zigeuner? – Und überhaupt, die Mißhandlungen vor der Ermordung waren dem Hackmann bestimmt nicht befohlen worden, die Mißhandlungen hat er eigenständig durchgeführt! – Ich werde den Vater des Jungen finden!“
    „Viel Aufwand“, sagte Schmelz.
    „Aber der Erfolg ist hundertprozentig! Ich meine, Hackmann ist eine Sau! Ein Schwein, ein perverses Stück Dreck!“, sagte Liebig: „Wie du mir, so ich dir.“
    „Wenn Sie das nur schaffen könnten!“, sagte der Häftlinge leise: „Und was ist mit mir?“
    „Wir bringen Sie jetzt sofort raus hier. Sie sind Hauptbelastungszeuge. Sie kommen unter falscher Identität ins Stadtgefängnis von Halle an der Saale, wo Sie sich unauffällig zu verhalten haben. Sie warten auf den Prozess. Wenn Sie ausgesagt haben, sorgen wir für Ihre Freiheit.“
    „Wie?“
    „Das wird sich zeigen! Wir werden auch das schaffen!“, mischte sich Ermittlungsrichter Schmelz in das Gespräch ein: „Wir danken Ihnen für die Aussage! Sie ist sehr wichtig. Unterschreiben Sie das Protokoll, und sofort wird mein Fahrer Sie wegbringen.“
    Schmelz war aufgestanden und zum Befragungstisch gekommen, wo er zusah, wie der Häftling das Protokoll an diesem ersten Tag des Jahres vierundvierzig unterschrieb.
    Nachdem der Mann Obersturmmann Heinze übergeben worden war, berief der Ermittlungsrichter ein Dienstgespräch in seinem Zimmer ein.
    Tarnat, Liebig und er nahmen am Schreibtisch Platz, der mit Stapeln von Papieren, Akten und Briefen übersät war.
    „Schreckliche Sache ist das!“, sagte Liebig: „So etwas kriege ich täglich zu hören!“
    „Aber Sie dürfen sich nur an das halten, was unsere Gefangenen betrifft, alles andere ist zwar schrecklich, aber von uns nicht verwertbar, Liebig!“, schärfte Schmelz seinen Untergebenen erneut ein.
    „Mord, Folter, Bestialitäten und sonstige Scheußlichkeiten aller Art“, resümierte Tarnat: „Das übersteigt doch unsere Kapazitäten.“
    „Kann sein, aber jetzt ein anderes Thema!

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