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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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vorgenommen worden sind. Nur Sie hatten Mittel und Gelegenheit, soweit klar?“, fragte Schmelz und zog an der Zigarette. Er lächelte Hoven von oben herab an, der kurz aufblickte, dann aber wieder auf die Hände sah, die weiter flach auf den Schenkeln lagen.
    „Lesen Sie ruhig nach“, sagte Schmelz, aber Hoven winkte mit einer Geste des Kopfes ab. Er wolle nichts wissen, er werde nichts wissen, er wisse nichts, sollte sie wohl ausdrücken, meinte Ermittlungsrichter Doktor Schmelz höhnisch.
    „Das Erbrochene, das von Freudmann und May übriggeblieben ist, beweist, dass die beiden Häftlinge mit einer Giftmischung umgelegt worden sind. Und die Leiche von Köhler beweist, dass dieser mit der gleichen Mischung getötet worden ist. Und nun fragen Sie mich ruhig, wo wir diese Mischung gefunden haben? Allein und ausschließlich!“, sagte Schmelz, wartete einen Augenblick, ehe er sagte: „Allein und ausschließlich in Ihrem Arztzimmer. Im Medizinschrank, zu dem alleine Sie einen Schlüssel haben. – Angeklagter Hoven, in Fachkreisen nennt man das eine eins a Beweiskette. Das sind stichhaltige Beweise, nur zu, versuchen Sie ruhig, in sie hineinzustechen! Das gelingt nicht!“
    „Mir egal“, sagte Hoven: „Müssen Sie nur noch beweisen, dass dieses Gift nirgendwo anders zu finden ist. Haben Sie wirklich alles durchsucht? Das ganze Lager? Was, wenn sie auch nur ein Zimmer oder eine Zelle vergessen haben? – Ach, da fällt mir ein, ich habe ja Hauptscharführer Köhler von dem Gift etwas gegeben. Er wollte es für einen Häftling, sagte er. Vielleicht hat er ja die beiden umgelegt und sich dabei selbst vergiftet? Unfälle gibt es immer wieder“, sagte Hoven und grinste Schmelz von unten an, der einen Moment sprachlos war, ehe er sich wieder gesammelt hatte und sagte: „Schwachsinn, Mann! Köhler war schon lange weggesperrt, als Freudmann und May ermordet wurden. Und in Ihren Unterlagen haben wir keinen Eintrag gefunden, dass Sie Gift ausgegeben haben! Jedenfalls nicht an den Köhler!“
    „Habe ich wohl vergessen, es einzutragen“, sagte Hoven: „Hier war soviel los, das glauben Sie gar nicht! – Gut, dieses Vergehen gebe ich zu, und ich stelle mich der Konsequenz!“
    „Doch, doch, das glaube ich gerne, Angeklagter Hoven“, sagte Schmelz und holte wieder den dicken Stapel Totenscheine hervor, die er dem Arzt in all den Nächten schon so oft unter die Nase gehalten hatte. Erneut begann die Prozedur, die Hoven jedes Mal den Schweiß auf die Stirn trieb. Bislang hatte er sich zwar stets beherrschen können, jedoch brauchte er jedes Mal seine ganze Willenskraft dazu. Bisher war es ihm immer gelungen, nicht zusammenzubrechen, doch jetzt hätte er gern einen Blick auf die Obduktionsberichte geworfen, ob es stimme, was der Richter gesagt habe, aber diese Geste würde ihn verraten, meinte er, und überhaupt, er wusste ja, dass es wahr war! Er hatte vergiftet, klar, aber was man nicht aussprach, das war ja schließlich auch nicht geschehen. Waldemar Hoven schloss die Augen, hörte jedoch das leise Geräusch, das sanfte Geräusch, das jedes Mal entstand, wenn einer der Totenscheine, die er selbst ausgefüllt und unterschrieben hatte, neben ihm auf der Pritsche landete.
    Schmelz’ Litanei nahm ihren Anfang: „Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, zuständig für die Kantine, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, Mitarbeiter der Kleiderkammer, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, Mitarbeiter der Kantine, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, Verantwortlicher für die Gärtnerei, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, Mitarbeiter der Gärtnerei, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, angestellt in der Goldschmiede, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, zwei Tage später tot, Betreiber des lagerinternen Bordells, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, angestellt im Lebensmittelverkauf, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser Mann hier, Einlieferung in die Krankenstation, verantwortlich für die Essensausgabe an die Häftlinge, untersuchender Arzt: Hoven. – Dieser

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