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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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versucht, mir abzuhauen!“, sagte Sommer und richtete sich plötzlich auf: „Man hat ja schließlich einen Ruf zu verlieren! Das wusste der Kommandant auch, dass ich auf meinen Ruf achten muss!“
    „Und so hast du die beiden aus dem Lager geführt, hast sie im Wald erschossen und zum Krematorium gebracht, nachdem Hoven die Scheine ausgefüllt hat.“
    „Quatsch! War doch Winter!“
    „Ja, und?“
    „Na, ich hätte mich doch draußen mit den beiden Leichen abquälen müssen, ganz allein. Die wären ruck zuck steif gefroren, das ging nicht!“
    „Also?“
    „Also habe ich sie zur Postenkette gebracht, gesagt, knallt sie ab, in den Hinterkopf, und dann ab zu Hoven mit ihnen, so war das! War doch Winter! Wäre eine verdammte Quälerei geworden!“
    „Aber wegen Krämer gab es doch eine Untersuchung durch den Gerichtsherren Waldeck Pymont persönlich, da hat niemand von der Totenkopfstandarte etwas gesagt?“
    „Mensch, weil ich ihnen eingepaukt hatte, ja die Fresse darüber zu halten. Es war ein Befehl von Koch, und also haben wir alle dichtgehalten und gemeint, die beiden wurden auf der Flucht erschossen. – Wer gegen Koch ist, der spielt doch mit dem Leben! – Ihnen würde ich ja auch raten …“
    „Halts Maul! – Krämer war ein ehemaliger Reichstagsabgeordneter“, warf Tarnat ein, worauf Sommer erwiderte, er habe mit Politik nichts zu tun.
    „Und welchen Grund hatte Koch, dir den Befehl zu geben, den Krämer abzuknallen?“
    „Das weiß ich nicht. Na, wohl ein Befehl von oben, nehme ich an. Meinen Sie nicht?“, fragte Sommer ehrlich erstaunt.
    „Denke ich nicht! In Berlin weiß man, dass Krämer ehemaliges Reichstagsmitglied der SPD war. Er war kein Jude, kein Kommunist, kein Schwuler, und bei so etwas gibt es immer eine Untersuchung. Da gab es garantiert keinen schriftlichen Befehl aus Berlin, auf dem der Name ‚Krämer‘ stand.“
    „Ich weiß nichts. Ich kümmere mich um nichts. Wenn gesagt wurde, Sommer mach das, dann hat Sommer das gemacht. Das hat doch der Kommandant so an mir geschätzt! Ich bin zuverlässig, hat er immer wieder gesagt! Immer wieder! Bei dem Krämer, vielleicht weiß Hoven mehr, oder Koch, oder was weiß ich denn? Ich weiß sowieso nicht, warum Sie immer mich fragen! Immer mich! Immer mich, ich hab doch nur Befehle ausgeführt! Das waren doch alles nur Befehle! Ich bin so müde! Ich will so gerne schlafen jetzt, ja? Darf ich? Ich bitte Sie! Bitte!“, flehte Sommer, worauf Schmelz angeekelt befahl, man solle ihm den Scheißkerl aus den Augen schaffen, ehe er sich übergeben müsse.
    Der Rottenführer sprang auf, klopfte an die Tür, und eine Minute später waren die vier Männer allein, während Sommer in die Zelle zurückgebracht wurde, wo er sofort einschlief.
    Ermittlungsrichter Schmelz sah den Rottenführer an, überflog das Protokoll und befahl dem Mann, es von Sommer sofort unterschreiben zu lassen, bevor er es wieder herzubringen und ihm persönlich auszuhändigen habe.
    Schmelz schlug mit den Fäusten auf den Tisch, als er mit seinen Männern allein war: „Sommer hat Koch schwer belastet! Wenn der diesen angeblichen Befehl von Himmler nicht vorweisen kann, dann ist er am Arsch! Und bei aller Liebe, einen so allgemein gehaltenen Befehl würde der Reichsführer doch niemals unterschreiben: Standartenführer Koch hat bei allem, was er tut, freie Hand. – Blödsinn ist das, absoluter Blödsinn!“
    „Es sei denn“, warf Tarnat ein: „Pohl hat seinem Freund Koch so ein Papier von Himmler besorgt. Pohl ist mit Himmler genauso eng befreundet wie mit Koch, wenn ich daran erinnern darf. – Wenn es diesen Befehl gibt, dann könnten wir eventuell, eventuell, sage ich, dann könnten wir Pohl auch anklagen.“
    „Diesen Befehl gibt es nicht“, sagte Schmelz gelassen: „Aber wenn Sie sich überzeugen wollen, bitte, meine Erlaubnis haben Sie, Kochs ganze Habe zu durchsuchen. Das Arbeitszimmer in Lublin inklusive. – Aber für heute, für heute machen wir Schluss, meine Herren! Sommer ist geknackt, er hat Koch schwer belastet, wir müssen nur noch ermitteln, warum Krämer sterben musste. Wir brauchen das Mordmotiv, dann ist die Sache wasserdicht. Aber das machen wir morgen. – Und dann müssen wir ermitteln, wer all die SS Leute ermordet hat, und die Häftlinge natürlich, die Koch hätten belasten können. Wir haben jetzt Januar, meine Herren, Ostern will ich damit durch sein! – Und Karfreitag ist diesmal schon am siebten April, meine Herren! Also, nur drei

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