Letzte Haut - Roman
Sie verstehen mich! Sie sehen aus wie ein Mann, der die Tücken der Liebe noch viel besser kennt als ich! Sie sind ein erfahrener Mann! – Das Mädchen lächelte schüchtern, wollte schon aufstehen, um weiterzugehen, doch ich hielt sie zurück, und das war meine Schuld! Nicht ihre! Ich legte meine Pranke auf ihre kleine und zarte Hand, die wie ein Schmetterling war, der sofort in meiner Hand Geborgenheit suchte und fand! Diese männliche Regung hatte ich vorher noch nie gespürt, glauben Sie mir! – Wir umarmten uns, und wir hatten noch nicht ein Wort gesprochen, als wir uns sanft auf die Lippen küssten, so sanft! Wir küssten uns heftiger, inniger, ja, Herr Richter, ich bin ein junger Mann, und ja, Herr Richter, sie ist eine junge Frau, und ja, Herr Richter, es war Mai, Frühling, und ich war vom Sterben erlöst worden! Mir war es bestimmt zu leben! Ich sollte leben! Leben, Herr Richter, leben! Ich soll leben! – Und ja, wir verbrachten eine Nacht zusammen, eine einzige und ganze Nacht! Und in dieser Nacht, Herr Richter, das müssen Sie mir glauben, kam es nicht zum Geschlechtsverkehr, wir waren nur romantisch! Sie ist streng katholisch, und ich bin es auch, und außerdem bin ich ein Offizier der Waffen SS, und außerdem, Herr Richter, habe ich einige Auszeichnungen vorzuweisen, aber was soll man da machen, Herr Richter, das frage ich Sie! Was soll man da machen? Es war eine Verknüpfung von schicksalhaften Dingen! Und ist die kurzzeitige Verliebtheit nicht stärker als der tapferste Recke? Ich bereue, dem Schicksal unterlegen gewesen zu sein.“
„Sie wissen schon, dass Rassenschande mit dem Tod bestraft wird?“, fragte Kurt Schmelz: „Sie ist gleichzusetzen mit dem Hochverrat an unserem Volk.“
„Ja, Herr Richter.“
„Sie bereuen?“
„Ja, ich bereue aus tiefstem Herzen, meinem Heimatland Schande zugefügt zu haben, und möchte hiermit versprechen, es wiedergutzumachen, das schwöre ich.“
„Und wie?“
„Ich werde an vorderster Front kämpfen. Ich werde mich tapfer dem Feind entgegenstellen, und ich werde nicht weichen, ehe unsere Sache gewonnen ist, das schwöre ich.“
„Und Sie waren ja geständig“, sagte Schmelz und sah jäh Hoffnung in den Augen des Jünglings aufblitzen: „Sie haben hier doch voll und ganz ein Geständnis abgelegt? Oder gibt es noch mehr zu gestehen, dann tun Sie es jetzt, Untersturmführer, sonst ist es zu spät für Sie.“
„Nein, es gibt nichts weiter zu gestehen. Ich vertraue mich Ihrer Gnade an, Obersturmführer Doktor Kurt Schmelz“, sagte Mittenmang, wobei er nicht vergaß, flehentlich zu ihm aufzublicken, und Schmelz konnte sich schon gut vorstellen, dass dieser dort gar keine großen Worte brauchte, um Mädchen zu verwirren und Frauen zu verführen.
„Also gut“, sagte Schmelz: „Vor nicht all zu langer Zeit schenkte auch mir das Schicksal eine neue Chance, und vielleicht ist das heute Ihre Möglichkeit, sich zu bewähren.“
Leises Gemurmel im Saal, das Schmelz sofort unterband. Er vermied es, die Beisitzer anzusehen, und erklärte: „Ich spreche hiermit den Untersturmführer Mittenmang vom Vorwurf der Rassenschande und des Hochverrats frei. – Ruhe im Saal! – Er konnte glaubhaft versichern, aus tiefstem Herzen zu bereuen. Außerdem konnte er glaubhaft versichern, dass es zu keiner geschlechtlichen Vereinigung gekommen ist. Sein bisheriges Benehmen war tadellos, er ist Träger mehrerer Auszeichnungen. Mir liegen wohlwollende Beurteilungen seiner Ausbilder vor. Untersturmführer Mittenmang befand sich zum Zeitpunkt seiner Verfehlung in einem jener seltenen Zustände, vom Tod zurück ins Leben geholt zu sein, die auch den charakterfestesten Menschen zeitweise schwächen können. Untersturmführer Mittenmang war geständig und bereut ehrlich. Er erhält eine Verwarnung und eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Sollten Sie sich in dieser Zeit irgendetwas zuschulden kommen lassen, so werden Sie mit dem Tode bestraft. – Augen weg vom Feind, so schön er auch ist, kapiert?“
„Kapiert!“, schrie der faktisch Freigesprochene los. Tränen schossen ihm aus den Augen, und es fehlte nicht viel, und der Mann wäre dankbar zum Richtertisch gestürmt, um dem Obersturmführer die Füße zu küssen. Schmelz, der diese Regung bemerkte, brachte Mittenmang mit einem steinharten Blick sofort zur Besinnung.
Mittenmang verharrte mitten in der Bewegung. Er konnte es noch gar nicht fassen. Zum zweiten Mal war er dem sicheren Tod von der Schippe gesprungen.
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