Letzte Instanz
trocknen?«
Sie überlegte.
»Ich zahle Ihnen das doppelte Honorar.«
»In dem Fall, okay.« Sie stand auf.
»Ich muß noch ein paar Handgriffe in der Dunkelkammer tun, und dann steige ich
rauf und versuche es mal.«
»Danke. Ich weiß das zu würdigen.
Dürfte ich wohl Ihr Telefon benutzen, während ich warte?«
»Wenn es ein Ortsgespräch ist.«
Während Nell Loomis in ihrer
Dunkelkammer verschwand, setzte ich mich an den Schreibtisch und rief Cathy
Potter an. »Sharon, wo haben Sie denn nur gesteckt? Keyes Development ist
einverstanden. Sie dürfen den Besitz in Seacliff betreten, aber sie wollen
wissen, wann.«
»Am liebsten heute abend. Aber jetzt
kommt der Haken an der Sache: Ich möchte eine ganze Reihe Leute mitbringen.«
Ich erzählte ihr von meiner Idee, das Gericht dort aufmarschieren zu lassen.
»Ich weiß nicht, ob ihnen das recht
ist. Das geht sicher nicht ohne einige Publicity, und die Erinnerung an den
Mord ist sicher keine gute Verkaufsstrategie für das Anwesen.«
»Publicity entsteht so oder so. Wenn
Keyes Development mit uns zusammenarbeitet, hilft das vielleicht sogar, einen
Interessenten zu finden, der nicht so zimperlich ist.«
»Kann sein«, sagte sie skeptisch.
»Rufen Sie mich in einer Stunde wieder an, ja?«
Fünf Minuten später tauchte Nell Loomis
aus ihrer Dunkelkammer auf und kletterte auf die Empore. Ich rief ihr nach, daß
ich ihr gern helfen würde, aber sie sagte, ihre Versicherung würde nicht
zahlen, wenn mir etwas passierte. Also blieb ich auf dem Sofa sitzen und sah
ihr zu, wie sie dort oben im Licht einer einzigen Glühbirne zwischen den
Kartonstapeln hin und her huschte. Sie brauchte ungefähr eine halbe Stunde,
dann kam sie schließlich mit einem dicken Ordner unterm Arm wieder
heruntergeklettert.
»Ich kann die Auftragsnummer nicht
finden, die auf Ihrem Abzug steht. Außerdem stimmt irgend etwas nicht an diesem
Auftrag für das Bankett und den Empfang«, sagte sie.
»Und was?«
»Auf dem Auftragszettel steht, daß die
Abzüge und Negative vernichtet werden sollten.«
»Warum? «
»Das steht nicht da.«
»Auf wessen Anordnung?«
»Steht auch nicht da.« Sie zeigte mir
das Blatt. Es war ein einfaches Formular mit Spalten, in die die Anzahl der
bestellten Abzüge und ihre Formate eingetragen werden konnten. Quer darüber
hatte jemand geschrieben: »Abzüge und Negative vernichten«, dazu das Datum:
»25. Juni 1956«, drei Tage nach dem Mord an Cordy McKittridge.
»Ist das die Handschrift Ihres Vaters?«
fragte ich.
»Die meiner Mutter. Sie hat im Studio
mitgeholfen, aber sie ist einundsiebzig gestorben.«
»Wissen Sie, mit wem Ihre Eltern im
Institut normalerweise zu tun hatten?«
»Nein. Mein Kontakt lief über Leonard
Eyestones Sekretärin, also nehme ich an, daß Dad seine Aufträge auch von einem
der Angestellten bekam.«
»Könnte es in den anderen Unterlagen
Ihres Vaters einen Beleg darüber geben, wer das gewesen ist?«
»Möglich.« Nell Loomis sah auf die Uhr.
»Aber ich kann jetzt nicht nachsehen. Ich muß zurück in die Dunkelkammer.«
»Gut, wenn Sie es später tun könnten,
wäre ich sehr froh.« Ich stand auf und griff nach meiner Tasche.
»Augenblick«, sagte sie. »wollen Sie
sich die Negative nicht ansehen?«
»Ich dachte, die wären vernichtet.«
»Dad hätte niemals die Negative
seiner Aufnahmen vernichtet. Da sind sie.« Sie hielt mir ein Bündel
Klarsichthüllen hin. »Ich schalte das Lichtpult ein. Dann können Sie sie sich
ansehen, während ich mich an meine Abzüge mache.«
Ich nahm die Hüllen, zog aus einer
Hülle einen Filmstreifen heraus und legte ihn auf die Mattscheibe. Diese Fotos
zeigten offensichtlich die Haupttafel des Banketts. Der Sprecher war eindeutig
Dulles. Ich legte die anderen Negative aus: noch einmal die Haupttafel; Leute,
die sich die Hände schüttelten und in Positur stellten; ein Empfangsdefilee;
weitere gestellte Gruppenfotos, darunter auch eines mit den beiden Eyestones
und Dulles. Durch die Umkehrung von Hell und Dunkel auf den Negativen waren
zwar Details nur schwer zu erkennen, doch kein Foto schien mir besonders
belastend oder auch nur ungewöhnlich. Ich ging alle Negative sorgfältig durch,
schaltete dann das Licht aus und seufzte. Ich brauchte Abzüge, um
herauszufinden, warum die Fotos vernichtet werden sollten.
Es war fast eine Stunde vergangen, seit
ich mit Cathy Potter gesprochen hatte. Ich rief in ihrem Büro an, hörte aber
nur ihre Stimme vom Anrufbeantworter. Ich hinterließ ihr die
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