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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Nachricht, daß ich
nach dem Lunch wieder anrufen würde. Als ich auflegte, kam Nell Loomis aus der
Dunkelkammer und machte ein furchtbar finsteres Gesicht. »Was, zum Teufel,
erwarten die denn von mir? Wie soll ich das rechtzeitig schaffen?« brummte sie.
»Brauchen eine ganze Woche, um diese verdammten Artischocken zu liefern, und
jetzt wollen sie...« Sie brach ab und machte ein verlegenes Gesicht, als hätte
sie vergessen, daß ich da war. »Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich brauche
Abzüge von denen hier. Heute noch.«
    »Das geht nicht.«
    »Ich verdreifache Ihr Stundenhonorar.«
Ich holte ein paar Zwanzig-Dollar-Scheine aus der Tasche und bot sie als
Anzahlung an.
    »Also...«
    »Und das gilt auch für die Zeit, die
Sie brauchen, um herauszufinden, wer vom Institut Ihrem Vater gewöhnlich die
Anweisungen zu den Fotos gegeben hat.«
    Nell Loomis biß sich auf die Unterlippe
und überlegte ein paar Augenblicke lang hin und her, dann nickte sie. »Ich
mache es. Wie schnell brauchen Sie die Abzüge?«
    »Gleich. Aber es reicht mir auch, wenn
ich sie in ein paar Stunden habe.«
    »Ich kann nicht garantieren, daß sie
gut werden. Aber ich mache mich so schnell wie möglich daran.«
    Auf dem Rückweg zur City Hall versuchte
ich, mir selbst einzureden, daß ich nun die Spur zur Lösung von Jacks Fall
gefunden hatte. Auch bestärkte ich mich selbst in der Hoffnung, daß Keyes
Development dem Gericht erlauben würde, den Lokaltermin auf dem
Seacliff-Anwesen abzuhalten. Und schließlich redete ich mir ein, daß Jack bis
zu meiner Rückkehr in den Sitzungssaal sein altes Selbstvertrauen
wiedergefunden und gerade ein solides Fundament für die neuen Beweise errichtet
haben würde, die ich liefern wollte.
    Aber all diese Gedankenspiele bewirkten
am Ende nur neue Zweifel und Unsicherheiten.
     
     
     

29
     
    Die Zeugin wurde von dem Mann, der sie
aufgerufen hatte, keineswegs geschont. Stameroff ging aggressiv auf Judy los,
stieß mit dem Zeigefinger in ihre Richtung, wenn er ihr eine Frage stellte. Als
ich zu meinem Platz ging, sagte Jack gerade: »Einspruch. Der Staatsanwalt
spricht gegen seine eigene Zeugin.«
    »Stattgegeben.«
    Ich rutschte auf meinen reservierten
Sitz. Stameroff trat einen Schritt vom Zeugenstand zurück, vollführte eine
halbe Drehung und sah die Geschworenen mitleidheischend an. Ich kannte den
Trick. Es war ein Blick, der sagen sollte: »Was soll ich denn machen?«
Aber Mitleid fand er nur wenig. Diese Jury war einfach zu erfahren, um auf
derart theatralische Tricks hereinzufallen.
    Stameroff erkannte seinen Fehler und
wandte sich schnell wieder seiner Tochter zu. »Versuchen wir einmal«, sagte er,
»Ihre Aussage auf das zu beschränken, was Sie in der Mordnacht tatsächlich
gesehen haben. Wie Sie sagten, hatte Ihre Mutter Blut vorn auf dem Kleid...«
    Der alte Herr hatte noch keinen dieser
hinterlistigen Kniffe verlernt, die man in seinem Geschäft braucht. Jack sagte:
»Einspruch. Die Zeugin hat nichts Derartiges gesagt.«
    »Stattgegeben.«
    »Dann möchte ich es anders ausdrücken.
Wie sah Ihre Mutter aus, als sie ins Haus zurückkam?«
    Judy wirkte verwirrt.
    »Miss Benedict?«
    Sie antwortete nicht. Ich beugte mich
vor und sah sie gespannt an. Hinter der Frage steckte etwas...
    Nach einer Weile sagte sie: »Sie hatte
Flecken auf dem Kleid. Es war Tinte, rote Tinte.«
    »Woher wissen Sie, daß es rote Tinte
war?«
    »Sie sagte zur Polizei...«
    »Miss Benedict, beschränken Sie sich
auf das, was Sie selbst gesehen haben.«
    »Es tut mir leid.« Sie war noch immer
verwirrt und schaute Jack hilfesuchend an. Er war in ein Dokument vertieft, das
vor ihm auf dem Tisch lag.
    »Sie und Ihre Mutter waren also die
einzigen Menschen, die sich in dieser Nacht in dem Anwesen aufhielten«, fuhr
Stameroff fort. »Ist das richtig?«
    »Ich... weiß nicht.«
    Der Richter runzelte die Stirn. »Sie
wissen es nicht?«
    »Ich erinnere mich, daß ich in meinem
Zimmer am Fenster stand und irgend etwas da unten in der Dunkelheit war...«
    »Irgend etwas oder irgend wer?«
    »Ich weiß nicht!«
    »Könnte dieses... Etwas vielleicht das
Produkt einer überreichen Phantasie sein?«
    »Einspruch!«
    »Ich lasse die Frage zu.«
    »Nein, es war wirklich. Ich erinnere
mich...«
    »Ja?«
    Judy schwieg.
    Stameroff beugte sich vor, eine Hand
auf den Rand des Zeugenstands gestützt. »Ist es nicht so«, fuhr er fort, »daß
Sie sich nur an sehr wenige von den Ereignissen jener Nacht

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