Letzte Instanz
Mordkommission?
Ach ja, er und seine Kollegin haben mich gebeten, dir auszurichten, sie seien
in Tommy’s Joynt. Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich mit dir. Es ist Jahre
her, daß ich dort den Büffeleintopf gegessen habe.«
Tommy’s Joynt an der Van Ness Avenue war
seit langer Zeit schon eine Institution in San Francisco. Draußen in
schreienden Farben mit Slogans und Werbung bemalt, drinnen laut und gemütlich,
bot es seit Jahrzehnten mit die besten Speisen und Getränke, und zwar für
Einheimische wie für Touristen. Hank und ich mußten uns durch die Menge
kämpfen, ehe wir die beiden Inspektoren weit hinten an einem Tisch fanden. Adah
Joslyn ging gerade auf ein dickes Pastrami-Sandwich los, während das Glas mit
dem dunklen Getränk vor Bart Wallace darauf schließen ließ, daß er seinen Lunch
heute in flüssiger Form zu sich nahm.
Hank ging an die Theke und gab unsere
Bestellung auf. Ich setzte mich neben Adah. »Was halten Sie vom bisherigen
Verlauf?« fragte ich.
»Ich halte Stameroff für ein
Riesen-Arschloch«, sagte Bart. »Wenn dieser verdammte Kerl jemals so etwas wie
Menschlichkeit besessen hat, dann ist das lange her.«
»Anders gesagt«, fügte Adah hinzu,
»Bart findet Stameroff richtig nett.«
»Gibt es Fortschritte bei den
Ermittlungen im Fall Cardinal?« fragte ich sie.
»Null Komma Null. Keiner aus der
Nachbarschaft hat irgend etwas gesehen, keiner hat etwas gehört. Sie wollen —
welche Überraschung! — nur nicht hineingezogen werden.«
Ich sah Wallace an. Er bemerkte es
nicht. Sein Blick erforschte die Tiefen seines Drinks, als fände er dort
Antwort auf die Probleme dieser Welt. Wahrscheinlich ging das dort genausogut
wie an jeder anderen Stelle.
»Eine kleine Nachricht habe ich
tatsächlich für Sie. NCIC hat sich auf meine Anfrage wegen Roger Woods
gerührt.«
»Mein Gott.« Beim FBI war man, was die
Information über Verbrechen anging, notorisch langsam. »Was haben sie gesagt?«
»Woods Akten sind Verschlußsache.«
Das war das letzte, was ich erwartet
hatte. »Was heißt das?«
»Da gibt es die verschiedensten
Möglichkeiten. Er kann in geheimem Auftrag tätig gewesen sein, oder er war ein
besonders geschützter Zeuge.«
»Sie meinen, er könnte beim FBI gewesen
sein oder ein Informant?«
»Oder er hatte mit einer von den
zahllosen Agenturen oder Operationen zu tun.«
Hank kam mit Kaffee und zwei Schüsseln
Büffeleintopf zum Tisch zurück. Ich starrte meine Schüssel an und merkte, daß
mir der Appetit vergangen war. »Sie wissen«, sagte ich zu Adah, »daß ich mir
über Roger Woods eine Theorie zurechtgelegt habe. Dieses Paar aus Cedar Rapids
in Melissa Cardinais Notizbuch — Mary und Rod. Könnte es nicht sein, daß Sie
den Namen falsch gelesen haben? Vielleicht heißen die beiden in Wirklichkeit
Mary und Rog.«
»Das ist möglich.«
»Haben Sie sie angerufen?«
»Ich habe es versucht. Es hat niemand
abgehoben.«
»Versuchen Sie es doch noch einmal.«
Sie runzelte die Stirn. »Sie meinen,
Roger Woods versteckt sich seit dreißig und mehr Jahren in Cedar Rapids ?«
»Der Ort ist genauso gut wie jeder
andere. Außerdem versteckt er sich vielleicht gar nicht.«
Adah nickte und warf ihre Serviette auf
den Tisch. Ich stand auf, damit sie sich an mir vorbeiquetschen konnte. Als ich
mich wieder hinsetzte, murmelte Bart Wallace etwas vor sich hin und starrte
weiter in sein Glas.
»Was haben Sie gesagt?« fragte ihn
Hank.
»Ich sagte, der Schweinehund macht
immer weiter und kriegt nie etwas ab, was immer man auch unternimmt.«
Er hatte also von dem Gespräch zwischen
Adah und mir nichts mitbekommen. »Sie meinen Stameroff?«
Er nickte.
Ich sah Hank an, der den Rest seines
Eintopfs verschlang und gierig auf meine unberührte Portion blickte. »Bart,
wäre es nicht an der Zeit, uns einmal zu erzählen, was zwischen Ihnen und
Stameroff ist?«
Er schwieg, die Hände um sein Glas
gelegt.
Hank machte jetzt ein Gesicht wie ein
Junge auf einem Plakat der Welthungerhilfe. Ich seufzte und tauschte meine
volle Schüssel gegen seine leere aus.
Wallace äffte meinen Seufzer nach.
»Märchenstunde, wie?« sagte er. »Soll ich mit ›Es war einmal‹ beginnen? Es war
einmal ein Mann, der hatte einen älteren Bruder — Burton. Der andere hieß Bart.
Burt und Bart. Niedlich, nicht?« In seinem Ton schwang Bitterkeit mit.
Ich wartete.
»Burt hatte zusammen mit einem Partner
ein privates Wach- und Sicherheitsunternehmen. 1967 erhielten sie den Auftrag,
bei einem
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