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Letzte Instanz

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Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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denen Cordys
Augen verschlossen worden waren, machten mir Probleme. Joseph Stameroff hatte
sie in seiner Anklage bei Prozeßeröffnung zwar erwähnt, sie später aber nicht
mehr mit der Angeklagten in eine Verbindung gebracht oder ihre Symbolik zu
erklären versucht. Seiner Ausführung nach hatte es sich um ungewöhnliche, nicht
mehr sehr verbreitete Münzen gehandelt. Sicherlich hätte der Nachweis, daß sie
Lis Benedict gehört hatten, seine Beweisführung noch erhärtet. Dennoch hatte er
den Punkt nach der ersten Erwähnung wieder fallenlassen.
    Schließlich war die Aussage der
Hauptzeugin, der zehnjährigen Judy Benedict, äußerst dürftig. Das einzige, was
sie über die Flecken auf der Kleidung ihrer Mutter hatte sagen können, war, daß
sie groß und rot gewesen seien. Es war nie ein Kleidungsstück von Lis gefunden
worden, das Tinten- oder Blutflecken aufwies. Der Ring, den Judy nach dem Umzug
der Familie von Seacliff in ein Haus im nahegelegenen Outer Richmond unter den
Habseligkeiten der Mutter gefunden hatte, war ein durchaus schlagendes
Beweisstück. Aber die Einlassung des Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalts
Stameroff, Außenstehende hätten keinen Zugang zu der Wohnung gehabt, schien
weit hergeholt, und es konnte nicht ausgeschlossen werden, daß der Ring nicht
schon vor dem Wegzug der Benedicts aus Seacliff in einen der Umzugskartons
geraten sein konnte. Auch diesen wichtigen Punkt hatte der Pflichtverteidiger
nicht geltend gemacht.
    Ich blätterte zurück und las noch
einmal Judys Aussage. Selbst die trockenen Worte, in der sie gehalten war,
machten die starke Beziehung zwischen dem Ankläger und seiner Zeugin deutlich.
Im Alter von zehn Jahren ist der Mensch sehr beeinflußbar, und ein junges
Mädchen, dessen Mutter im Gefängnis saß und dessen Vater nur wenig oder gar
kein Interesse an ihm zu haben schien, würde eifrig bestrebt sein, einem
Erwachsenen zu gefallen, der sich um es kümmerte. Ich bezweifelte keineswegs,
daß Stameroff und seine Frau eine echte Zuneigung zu Judy gefaßt hatten —
schließlich hatten sie sie nach dem Prozeß als ihre eigene Tochter aufgenommen.
Aber es war möglich, daß der Ankläger einen unangemessenen Einfluß auf das Kind
ausgeübt hatte. Der Prozeß hatte damals große Aufmerksamkeit erregt, und eine
Verurteilung konnte seiner weiteren Karriere durchaus nützlich sein. Was auch
der Fall war: Heute war Joseph Stameroff Richter am Obersten Gericht des
Staates Kalifornien.
    Ja, dachte ich, es gibt tatsächlich
noch viele Spuren, denen nachgegangen werden muß. Ich mußte mit Lis Benedict
reden, mit Judy, mit Joseph Stameroff. Mich über den Pflichtverteidiger
erkundigen: wie hieß er noch? Harry Moylan. Herausbekommen, ob Moylan noch am
Leben war, und wenn ja, mit ihm sprechen. Das galt auch für andere Zeugen,
andere Mitglieder des Instituts. Und was war mit Vincent Benedict? Warum hatte
er seine Tochter zur Adoption freigegeben, und was war aus ihm geworden?
    Und dann mußten auch noch die
Ereignisse der Gegenwart untersucht werden — die Anrufe bei Lis und die
Schmierereien. Zuerst war ich nicht sicher gewesen, ob sie mit dem alten Fall
in direktem Zusammenhang standen — höchstens ganz am Rande — , aber jetzt war
das nicht mehr so. Ich wartete immer noch darauf, daß Tony Nueva sich meldete.
Sein Ausbleiben bedeutete: Er stand mit leeren Händen da und war zu stolz, es
zuzugeben. Das beunruhigte mich am allermeisten: Ein Geheimnis, hinter das ein
Tony Nueva nicht kam, mußte ein sehr gut gehütetes sein. Ich mußte ihn
erreichen und fragen...
    Mit einem Ruck zog mein Gehirn die
Bremse und machte mir klar, daß dies ja Raes Fall werden sollte. Und überrascht
bemerkte ich einen Anflug von Bedauern...

5
     
    Eine Zeitlang fürchtete ich, die
Katastrophe mit der Pilz-Enchilada könnte zum Omen für die Stimmung des ganzen
Abends werden. Zuerst rief Jack an und ließ mich ungewöhnlich kurz angebunden wissen,
sie kämen eine halbe Stunde später. Kaum fünf Minuten später rief Hy vom Tufa
Lake an. Er sei schon unterwegs nach San Francisco gewesen, da habe die
Citabria einen kleinen Motorschaden bekommen, und die Reparatur habe ihn den
ganzen Tag gekostet. Falls ich Zeit hätte, würde er es vielleicht noch einmal
Mitte der Woche versuchen. Ich sagte, ich hätte Zeit, und hängte verstimmt ein.
Ich hatte Hy an diesem Wochenende nicht erwartet, doch nachdem ich jetzt von
seinem abgebrochenen Flug erfahren hatte, vermißte ich ihn schmerzlich.
    Um sieben

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