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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Cocktailparty da.«
    Einer der Namen erinnerte mich an das
Protokoll. »War Russell Eyestone nicht der Direktor der Denkfabrik?«
    »Ja.«
    »Lebt er noch?«
    »Er ist vor ungefähr zwei Jahren
gestorben. Sein Sohn Leonard leitet das Institut jetzt.«
    »Und die Sheridans — wer waren die? «
    »Er gehörte zum Stab, war, glaube ich,
Physiker. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. Sie sind nach dem Prozeß
in den Osten zurückgegangen.«
    »Was ist mit dem Institut? Hat es
seinen Sitz noch in Seacliff?«
    »Nein. Kaum war Russell Eyestone tot,
fing Leonard an, ein neues Zentrum am Embarcadero zu errichten. Das alte sei,
wie er in einem Zeitungsinterview sagte, nicht mehr zeitgemäß gewesen. Das neue
Gebäude ist sehr modern, sehr feudal. Wie ich gehört habe, wird von dem
Seacliff-Anwesen das, was noch nicht verkauft wurde, weiter angeboten.«
    »Okay, du sagst, die Eyestones und die
Sheridans wären zu einer Cocktailparty in euer Haus an der Lake Street
gekommen...«
    »Es war eher eine Konferenz als eine
Party. Davon gab es viele: sehr gespannte, sehr besorgte Gespräche über die
Auswirkung des Mordes auf die Zukunft des Instituts. Und das ging nie ohne
große Mengen Schnaps. Auf mich hat da keiner geachtet.« Sie machte eine Pause
und schien das Geschehen vor ihrem inneren Auge noch einmal vorbeiziehen zu
lassen.
    Als sie nicht weitersprach, soufflierte
ihr Jack. »Du brauchtest ein Kostüm.«
    »Ja, ein Kostüm. Einige Tage zuvor
hatte ich gesehen, wie meine Mutter eine Kiste mit Kleidern auf den Dachboden
brachte — lauter Sachen, die aus der Mode waren, aber noch zu gut, um sie
wegzuwerfen. Ich ging also hinauf, wühlte darin herum und kam mit dem Ring
wieder herunter.«
    »Wo war er gewesen?« fragte ich.
    »In welchem Teil der Kiste, meinst du?
Ich kann mich nicht erinnern.«
    Nach Judys Aussageprotokoll hatte der
Ring in der Tasche eines blauen Brokatkleides gesteckt. »Weißt du es bestimmt
nicht mehr?«
    »Wie gesagt, es gibt eine Menge Lücken
in meiner Erinnerung.«
    »Wußtest du, daß es Cordys Ring war?«
fragte ich. »Übrigens, kanntest du Cordy?«
    »Jeder am Institut kannte sie. Ihre
Eltern waren eng mit den Eyestones befreundet, und sie hat sie oft besucht. Zu
oft, wenn du mich fragst.«
    »Wieso?«
    »Also, ich finde es nicht normal für
ein einundzwanzig Jahre altes Mädchen, sich so für die Freunde ihrer Eltern zu
interessieren. Ich fragte mich sogar, hinter was sie eigentlich her war.« Judy
preßte die Lippen zusammen. Ihre Abneigung der jungen Frau gegenüber war jetzt
noch, Jahrzehnte nach Cordys Tod, spürbar. »Wahrscheinlich habe ich auch
Vermutungen darüber angestellt, von wem sie den Ring haben mochte. Als ich ihn
ein paar Wochen vor ihrer Ermordung an ihrem Finger entdeckt hatte, war ich von
ihm fasziniert gewesen. Er faszinierte auch meine Mutter, wenn ich bedenke, wie
sie ihn angeschaut hat.«
    Ein Grund mehr, Lis Benedicts
Unschuldsbeteuerungen zu mißtrauen. »Okay, du hast den Ring in der Kiste
gefunden...«
    Sie nickte und starrte in die
flackernden Kerzenflammen. »Ich nahm ihn mit nach unten, um ihn meinen Eltern
zu zeigen. Ich wußte, daß Cordy getötet worden war, wenn ich auch keine Details
kannte, und mir war klar, daß dieser Ring nicht auf unseren Dachboden gehörte.
Als Mama ihn sah... Ihr Gesicht vergesse ich nie.«
    »Beschreib ihre Reaktion.«
    »Zuerst war es ein Schock. Dann wurde
sie ganz ruhig. Sie hatte Angst. Ich sollte mit Daddy nach oben gehen und ihm
zeigen, wo ich den Ring gefunden hatte. Als wir wieder nach unten kamen, hatte
Mama sich in der Küche eingeschlossen, und... alle anderen flüsterten nur noch
und wirkten seltsam.«
    Judys Stimme klang jetzt kindlich hoch.
Als sie Lis zum zweitenmal »Mama« nannte, sah ich Jack an. Auch er hatte den
Wandel bemerkt. Zwischen seinen Augenbrauen standen Falten. Als sich unsere Blicke
trafen, wirkte er sehr beklommen.
    Er hatte mir einmal von Judys Hang zur
Melodramatik erzählt — nicht verwunderlich, schließlich war sie Schauspielerin
gewesen. Aber dieser abrupte Wechsel wirkte etwas unheimlich...
    »Was geschah dann?« fragte ich und merkte,
daß meine Stimme jetzt ungewöhnlich gepreßt klang.
    »Daddy war... Er ging in die Küche und
schrie Mama an. Mama schrie zurück. Und dann schlug er sie. Sie schrie laut
auf. Er schlug weiter, und sie schrie weiter, bis Dr. Eyestone und Dr. Sheridan
hineingingen und ihn zurückhielten. Und dann kam die Polizei.«
    »Wer hatte sie gerufen?«
    Ihr Gesicht

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