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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Vergangenheit zu sprechen. »Im Frühjahr fünfundvierzig«,
begann sie, »war San Francisco, unsere ›City‹, Gastgeberin der Konferenz, auf
der die UNO-Charta verabschiedet wurde. Dreitausend Besucher aus den
siebenundzwanzig Ländern und dazu die Weltpresse strömten in die Stadt. Die
Parties und sonstigen Veranstaltungen... das alles war schon spektakulär. Ich
weiß das, denn meine Eltern haben damals so eine Party in unserem Haus am
Lafayette Square gegeben. Ein paar hundert Leute—darunter auch Männer mit
Turban—waren eingeladen. Noch Jahre später erzählte meine Mutter gern, daß über
hundert Flaschen Korbel-Champagner und fast genauso viele Cocktails getrunken
wurden und daß für runde hundert Dollar Zigaretten und Zigarren gequalmt
wurden. Was die Canapés gekostet haben, habe ich nie erfahren, denn an diesem
Punkt ihrer Geschichte fuhr ihr mein Vater immer dazwischen und sagte, sie
solle den Mund halten... Ich schweife schon wieder ab. Also, zwei Monate lang
war San Francisco der Party-Gastgeber der Welt. Als dann die UNO-Charta
unterzeichnet war und die Delegationen abgereist waren, gingen die Spitzen von
Industrie und Gesellschaft davon aus, daß die City auch Sitz der Vereinten
Nationen würde. Sie können sich den Schock vorstellen, als man sich statt
dessen für New York entschied. Von da an vollzog sich in der City ein Wandel.
Alle wollten jetzt New York schlagen. Wolkenkratzer schossen in den Himmel,
Gesellschaften wurden angelockt. Mit ihnen kamen die Familien der
Führungskräfte und deren Einfamilienhäuser in die Vorstädte, wo früher unsere
Landsitze gewesen waren. Fremde bevölkerten plötzlich unsere Clubs und
Wohnviertel, unsere Restaurants, Geschäfte und Schulen. Und statt die
Neuankömmlinge freundlich zu begrüßen, zog sich unsere Gesellschaft in die Enge
eines äußerst langweiligen Lebens zurück. Und die Kinder dieser gehobenen
Gesellschaft, wie Cordy und ich, rebellierten dagegen.«
    »Was wurde dann aus diesen Kindern der
Gesellschaft?«
    »Sie sind tot, wie Cordy. Oder so
langweilig geworden wie ihre Eltern, wie etwa die beiden Mädchen vom Mills
College, die sich mit uns das Apartment teilten. Oder sie haben sich den
veränderten Zeiten angepaßt, wie ich.«
    »Und die anderen, mit denen Sie das
Apartment geteilt haben — können Sie da wohl eine Verbindung für mich
herstellen?«
    »Nein. Meine Zimmergenossin aus
Stanford ist vor zehn Jahren gestorben. Mit den Frauen vom Mills College stehe
ich nicht mehr in Verbindung. Aber soviel ich von ihrem jetzigen Leben weiß,
werden sie mit Ihren Ermittlungen nichts zu tun haben wollen.«
    »Und Melissa?«
    »Über Melissa weiß ich gar nichts. Ich
habe sie noch vor Cordys Tod zum letztenmal gesehen. Cordys Ermordung hat noch
den letzten Rest Begeisterung für das wilde Leben zerstört. Ich habe meine
Sachen aus dem Apartment geholt. Dann habe ich den Sommer damit verbracht,
geeignete Männer kennenzulernen und den ersten halbwegs passenden Heiratsantrag
anzunehmen. In gewissem Sinne hat mich Cordys Tod zu einem Leben als Tote in
einer schrecklichen Ehe verdammt — bis ich vor fünfzehn Jahren ausbrechen
konnte.«
    »Erinnern Sie sich an Melissas
Nachnamen?«
    Louise Wingfield runzelte die Stirn,
zündete sich eine neue Zigarette an. »Der fällt mir nicht ein... Seltsam. Ich
wußte ihn, und eigentlich habe ich ein ausgezeichnetes Namensgedächtnis. Bird?
Nein, vielleicht ein bestimmter Vogel. Zaunkönig? Fink? Nein...
Kardinal!«
    »Melissa Cardinal. Und Sie sagen, Sie
wissen nicht, wie Cordy sie kennengelernt hat?«
    »Nein. Cordy hat schon immer Strandgut
aufgelesen.«
    »Was hat Melissa gemacht? War sie
Studentin?«
    »Nein, sie arbeitete, und ihr Beruf
hatte mit Reisen zu tun, denn mal war sie da und mal nicht. Sie war... ja, sie
war Stewardeß.«
    »Bei welcher Fluggesellschaft?«
    »Bei einer großen mit internationalem
Netz. Ich erinnere mich, daß sie uns Sachen zeigte, die sie in Paris und London
gekauft hatte.«
    Vielleicht konnte ich Melissa Cardinal
irgendwo auftreiben — eine vage Möglichkeit. Ich machte mir eine Notiz, fragte
Louise Wingfield dann, ob ihr noch etwas einfiele, das mit Cordys Tod zu tun
haben könnte.
    Sie dachte fast eine ganze Minute lang
nach, die Augen gegen den Rauch ihrer vergessenen Zigarette zusammengekniffen.
Schließlich merkte sie es und drückte sie kopfschüttelnd aus. »Mir fällt nichts
mehr ein. Ist das wirklich nach all dieser Zeit noch so wichtig?«
    »Es ist wichtig für Lis

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