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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Namen
und Beruf und fügte hinzu: »Ich suche nach den anderen Bewohnerinnen der
Wohnung — zum Beispiel Melissa Cardinal. Erinnern Sie sich an sie?«
    »Natürlich. Mein Gedächtnis
funktioniert noch bestens. Was ist mit ihr?«
    »Gar nichts. Louise würde sie nur gern
mal wiedersehen und hat mich gebeten, ihr bei der Suche zu helfen.«
    »Also, ich erinnere mich an sie, als
wäre es gestern gewesen. Kleines blondes Mädchen. Nette Figur.« Fabrizios Hände
umschrieben ihre Kurven. »Wenn die Kleine hereinkam und die Miete zahlte, ließ
mich meine Frau nicht aus den Augen.«
    »Wann haben Sie Melissa zum letztenmal
gesehen?«
    Fabrizios prompte Antwort überraschte
mich. »Vor zwei Wochen.«
    Ich sah Louise an. Sie runzelte die
Stirn.
    »Wo?«
    »Drüben am Broadway, in der Nähe von
Chinatown. Sie hat sich nicht so gut gehalten wie Sie.« Er blinzelte Louise zu.
»Sah verdammt heruntergekommen aus, ungepflegt. Ich hätte sie nicht erkannt,
wenn der Kerl bei ihr sie nicht beim Namen genannt hätte. Auch eine komische
Sache: Er paßte gar nicht zu ihr. Ein Gentleman. Eleganter Haarschnitt, guter
Anzug, beste Qualität.«
    »Was haben sie gemacht?«
    »Kamen aus einer Bar. Paßte auch nicht
zu ihm, genauso wenig wie die Frau. Und sie haben gestritten.«
    »Worüber?«
    »Die Worte habe ich nicht mitbekommen.
Nur den Ton: Jammern und Nörgeln. Das kenne ich zur Genüge von meiner Frau.«
    »Melissa jammerte?«
    »Hm.«
    »Er war nicht gerade glücklich darüber,
versuchte aber, nett zu sein. Wie gesagt, ein Gentleman. Wollte wohl keine Szene
in der Öffentlichkeit.«
    »Können Sie ihn beschreiben?«
    »Also, direkt von vorn habe ich ihn
nicht gesehen. Ich habe mehr nach Melissa geschaut als nach ihm. Jünger als
ich, wie er sich hielt. Graues Haar, oder eher weißes? Jedenfalls viel Haar.«
Er klopfte sich wehmütig auf die eigene Glatze.
    »Größe? Gewicht?«
    »Mittel, denke ich.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Wie gesagt, er stand mit dem Rücken zu
mir, und ich habe mehr auf Melissa geachtet. Ich habe ihn nur als Typ
wahrgenommen, verstehen Sie?«
    Ich verstand. Leider war er ein Typ,
wie es ihn in San Francisco in Massen gab. »Wie hieß die Bar?«
    »The Haven.«
    Die kannte ich — eine typische
Broadway-Kneipe. »Und die Tageszeit?«
    »Ich kam von meinem Morgenspaziergang
zum Obst- und Gemüsestand an der Jackson Street zurück, also ungefähr halb bis
Viertel vor zwölf.«
    Dann hatte es keinen Sinn, noch heute
abend zur Haven-Bar hinüberzugehen. Ich mußte morgen auf die Tagschicht warten.
Doch dies war bis jetzt die beste Spur zu Melissa. Und wenn sie dort Stammgast
war, wußte vielleicht jemand, wo sie wohnte.
    »Haben Sie Melissa bei der Gelegenheit
zum erstenmal wiedergesehen, seit sie die Wohnung von Ihnen gemietet hatte?«
    »Sie wohnt seit Jahren hier in der
Gegend. Aber soviel ich weiß, geht sie nur abends aus. Und Sie können mir
glauben: Ich hätte diese heruntergekommene Lady niemals mit der kleinen
Stewardeß zusammengebracht, wenn der Kerl nicht ihren Namen genannt hätte.«
Fabrizios Gesicht verdüsterte sich, und er nahm einen kräftigen Schluck Wein.
Nach einer Weile sah er Louise an und fügte hinzu: »Ist schon ein Ding —was die
Zeit mit uns anstellt, nicht?«
    Sie nickte zustimmend und schwieg dazu.
     
    Das Gespräch mit Fabrizio hatte auf
Louise’ Stimmung gedrückt. Sie schwieg, als wir wieder zum Washington Square
hinuntergingen, und hatte die Hände tief in den Taschen vergraben. Schließlich
sagte ich: »Ich hatte heute nachmittag eine Verabredung mit Leonard Eyestone.
Ein seltsamer Mann, aber interessant. Er hat zugegeben, daß Cordy von ihm
schwanger war.«
    »Einfach so?«
    »Ohne zu zögern, nachdem er eingeräumt
hatte, daß er der andere Mann am Institut war, mit dem sie eine Affäre hatte.«
    »Gut, dann muß er sich gedacht haben,
daß das jetzt nichts mehr zu bedeuten hat. Daß genug Zeit vergangen ist. Auf
den ersten Blick mag die Affäre eigentümlich erscheinen, aber Leonard hat einen
brillanten Verstand, und Cordy war, bei all ihren sonstigen Fehlern, keineswegs
dumm.«
    »Er sagte, er hätte sie gern
geheiratet, aber sie sei ihn leid gewesen.«
    Louise preßte die Lippen zusammen.
»Ihre Unfähigkeit, ein Interesse an Dingen und an Menschen zu bewahren, war
einer der Fehler, von denen ich gerade sprach.«
    »Ihr Interesse an Vincent Benedict
hatte sie sich immerhin lange genug bewahrt, um in ihm den Wunsch zu wecken,
seine Frau zu verlassen und sie zu heiraten. Auch

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