Letzte Instanz
ich, daß das Institut in
der späteren Phase der Hexenjagd auf Kommunisten, also in den Fünfzigern,
gegründet worden war. Bis zu einem bestimmten Grad mußte es wohl die Arbeit von
Senator Joseph McCarthy und FBI-Direktor J. Edgar Hoover und Konsorten
fortgesetzt haben — das rücksichtslose Wühlen in der Privatsphäre ihrer Bürger,
das meiner Meinung nach ebenso viele unschuldige Leben zerstört hatte wie die
Spanische Inquisition.
Ich fragte mich, wie wohl Adah Joslyn,
aufgewachsen auf dem Red Hill und hervorgegangen aus einer Verbindung zwischen
einem Sozialisten und einer Marxistin, auf diese Nachricht reagieren würde.
Außerdem hatte ich mir die
Berichterstattung der lokalen Presse über das Dulles-Bankett und den
McKittridge-Mord angesehen. Die Fotos von Cordy — hübsch, blond, aristokratisch
— hinterließen ein ungutes Gefühl in mir. Wieder spürte ich den eigentümlichen
Sog, den der Fall auf mich ausübte. Es war, als wäre ich auf das Foto einer vor
langem verstorbenen Freundin gestoßen. Die Berichterstattung über den Mord war
so umfassend und zugleich gespenstisch, wie ich es erwartet hatte. Von dem
Dulles-Bankett und dem anschließenden exklusiven Empfang für staatliche und
lokale Würdenträger war die Presse dagegen ausgeschlossen gewesen. Außer Fotos
von der Ankunft Dulles’ und seines Gefolges vor dem St. Francis Hotel, wo der
Empfang stattfand, gab es nur ›offizielle‹ Bilder, die Roy Loomis, ein
Institutsfotograf, geschossen hatte. Eines zeigte Dulles zusammen mit Russell
und Leonard Eyestone. Die drei Männer waren fast auf die gleiche Art
konservativ und steif gekleidet, doch damit endete auch die Ähnlichkeit. Dulles
war ganz der kampflustige bebrillte Mann, den ich schon oft auf Fotos gesehen
hatte. Rüssel Eyestone war gutaussehend und beeindruckend. Er schien seinen Sohn
um Kopf und Schultern zu überragen, obwohl sie gleich groß waren. Leonard
wirkte zusammengesunken und anämisch, sein Blick in die Kamera hatte etwas
Gejagtes, als wäre er nur zu gern dem gewichtigen Schatten seines Vaters
entflohen.
Bevor ich die Bibliothek verließ, hatte
ich Jack angerufen und erfahren, daß Judy mich um sechs im Artist’s Showcase
treffen wollte. In diesem Theater liefen ihre Produktionen. Ich holte meinen
Wagen aus der Plaza-Garage und kroch die geschäftige Golden Gate Avenue entlang
in Richtung Market Street.
Irgend etwas in der Gegend, in der die
Golden Gate Avenue mit der Taylor Street und der Market Street Zusammentreffen,
ist dabei, sich zu verändern, aber es ist schwer zu sagen, was. Es gibt dort
Theater und Restaurants für die Theaterbesucher und Hotels aller Preisklassen.
Auf den Gehsteigen hocken Kinder von Flüchtlingen aus Südostasien auf ihren
Skateboards, Hooker bewachen eifersüchtig ihr Revier, und dann sind da
natürlich die ausgeflippten Typen.
Zu ihnen gehörte eine Schwarze mit
einer wilden roten Mähne und Einstichen in den dünnen Armen. Sie stand an der
Ecke nicht weit von der Stelle, an der ich parkte, und überschüttete die
vorbeifahrenden Autos mit einem Wortschwall. Er lief in etwa darauf hinaus, daß
man ihr Geld geben solle, denn Jesus brauche ohnehin keines mehr. Auf dem Weg
zum Theater kam ich an zwei Hook-Spielern vorbei, die an der Fassade eines
geschlossenen Sandwich-Ladens lehnten. »Die irre Lady ist heute wirklich schwer
in Fahrt«, sagte der eine, und der andere antwortete: »Genau, und sie merkt
nicht, daß ich jetzt in Fahrt komme. Am Ende wird sie sich wünschen, sie
hätte netter über Jesus geredet.«
Ich erreichte das Theater und ging auf
den Eingang zu, blieb aber abrupt stehen, weil ich auf eine Frau aufmerksam wurde,
die von der Market Street herüberkam. Eine hochgewachsene Frau mit hellem,
feinem Haar, eingehüllt in ein langes Cape, dessen Falten im Wind flatterten.
Einen Moment lang stockte mir der Atem, denn sie sah aus wie Lis Benedict. Dann
erkannte Judy mich und winkte. Ich entspannte mich, aber ein wenig unbehaglich
war mir weiterhin.
Als Judy näherkam, sah sie meinen Blick
auf ihrem Cape und lächelte. »Ja, es hat Lis gehört. Ich wollte etwas haben,
das mich an sie erinnert, und ich habe es immer schon gemocht.« Sie führte mich
zum Eingang des Theaters und klopfte an ein Glasfenster, damit der Wachmann uns
hineinließ.
Die Lobby war düster und kalt.
Abgestandener Zigarettenqualm hing in der muffigen Luft. Der Wachmann knipste
ein paar Schalter auf einem Schaltbrett an, bevor er weiterging, und ein
riesiger
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