Letzte Instanz
paar andere hinzugekommen. Das hat mir Louise Wingfield erzählt.«
Ihre Augen bekamen einen wissenden
Ausdruck, und ihre Lippen verzogen sich zu einem boshaften Lächeln. »Louise
Wingfield?« fragte sie. »Geht es darum? Glauben Sie, ich bin in Gefahr, weil
ich von ihr und Vincent Benedict weiß?«
»Louise und... Benedict?«
»Sicher. Zu diesem Thema war sie
vermutlich nicht sehr mitteilsam. Louise war in ihn verliebt, bevor er sich
dann Cordy zuwandte. Cordy ging damals mit Leonard Eyestone und hat die beiden
miteinander bekannt gemacht. Sie hatten fast ein Jahr lang eine heiße Affäre.
Das weiß ich, weil sie sich in einem der Zimmer in der Wohnung in North Beach
abspielte.«
»Und dann?«
»Nach ihrer Abtreibung brach Cordy die
Beziehung zu Eyestone ab. Anschließend war sie hinter Benedict her, egal, ob
Louise ihn liebte oder nicht. Sie hat ihn ihr einfach weggenommen, und es war
ihr dabei gleichgültig, daß Louise immerhin ihre beste Freundin war. Danach kam
Vincent nicht mehr in die Wohnung — er konnte Louise nicht unter die Augen
treten —, aber wir alle wußten, was los war. Und wir alle wußten, wie sehr
Louise Cordy haßte. Sie versuchte, es zu verbergen, aber sie... belauerte Cordy mit solch einem Haß im Blick, als wartete sie darauf, daß ihr etwas zustieß.«
Ich dachte über Louise Wingfield nach.
Sie war entgegenkommend gewesen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
Vielleicht hatte sie gehofft, ihre Freimütigkeit würde mich entwaffnen und mich
davon abhalten, weiter zu bohren und gerade diese verdammte Tatsache
auszugraben. Und als ich meine Nachforschungen weiterführte — jedenfalls hatte
Louise Wingfield tatsächlich enge Verbindungen zu den Latinos im Mission
District.
»Wann genau begann das Verhältnis
zwischen Cordy und Benedict?« fragte ich.
»Gleich nachdem sie und Louise aus
Mexiko zurück waren.«
Im August des Jahres vor dem Mord waren
sie in die Abtreibungsklinik gefahren. So hatte ihr Groll gegen die Freundin
noch neun Monate lang schwelen können.
»Melissa, haben Sie irgendwem von
Louise und Benedict erzählt?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann tun Sie es auch jetzt nicht. Ich
möchte, daß Sie sich in Zukunft sehr in acht nehmen. Flaben Sie noch meine
Visitenkarte mit der Privatnummer?«
Sie zeigte auf den Tisch nebenan, wo
die Karte unter dem Fuß einer Lampe klemmte.
»Gut. Wenn jemand versucht, Ihnen etwas
zu tun oder Sie zu bedrohen, rufen Sie mich sofort an. Tag und Nacht, zu Hause
oder im Büro.«
Einen Moment schien sie zu zögern, als
wolle sie mir noch etwas sagen. Ihr Blick wanderte unsicher zur Vitrine, und
sie schüttelte den Kopf. »Louise wird mir nichts tun, falls Sie das meinen.«
»Man kann nie wissen.«
»Ich weiß es.«
»Vor wem haben Sie dann Angst?«
Sie schloß die Augen und schüttelte
wieder den Kopf.
»In Ordnung«, sagte ich. »Sie haben
meine Karte. Rufen Sie mich an, wenn Sie reden wollen.«
»Haben Sie vor, Louise zu sagen, was
ich Ihnen erzählt habe?«
»Ja. Es ist die beste Methode, sie
direkt zu fragen.«
»Ich habe meine Beziehung zu Vincent
Benedict keineswegs vor Ihnen verborgen«, sagte Louise Wingfield.
»Sie waren sonst in allen Dingen ganz
offen. Warum haben Sie das verheimlicht?«
Louise drückte ihre Zigarette im
Aschenbecher aus, der auf dem Schreibtisch zwischen uns stand. »Verbergen!
Verheimlichen! Was halten Sie eigentlich vom Recht eines Menschen auf seine
Privatsphäre?«
»Viel. Aber es geht bei Ihnen doch eher
um den Wunsch eines Menschen, sich nicht selbst zu belasten.«
»Mich belasten ? Haben Sie den
Verstand verloren?« Louise Wingfields Gesichtsausdruck zeigte Wut und Schrecken
zugleich. »Sie können mich doch nicht verdächtigen, Cordy ermordet zu haben!«
»Ich kann nur Melissa Cardinal wörtlich
zitieren: ›Sie belauerte Cordy mit einem solchen Haß im Blick, als wartete sie
darauf, daß ihr etwas zustieß.‹«
»Was kann Melissa schon wissen? Sie war
doch nie da.«
»Scheinbar doch oft genug, um zu
realisieren, was wirklich vor sich ging.«
»Wirklich vor sich ging?« Louise Wingfield
lachte bitter. »Wer weiß denn schon, was genau passiert ist? Und wie können Sie
überhaupt das Wort einer zornigen alten Einsiedlerin über meines stellen?«
Ihre Beschreibung von Melissa gab mir
Gelegenheit zum Nachdenken. Als bei unserem ersten Gespräch die Rede auf
Melissa gekommen war, hatte Louise vorgegeben, sich nicht an ihren Nachnamen zu
erinnern — ein Vogelname,
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