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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Bein im Gefängnis stand. Aber ich wußte
nicht genau, ob das auch stimmte, und sie hätte es sowieso nicht hören wollen.
Also sagte ich nichts. Als ich den Laden verließ, bat die Asiatin Linda gerade
um eine Perücke, genau wie die ihre.
     
    Die äußeren Bereiche des
Sunset-Distrikts ähneln sehr den Strandorten Südkaliforniens. Doch hier
erinnert alles an die heftigere Wirkung der Elemente. Der Rost an den eisernen
Geländern der Wohnhauskomplexe am Great Highway zeugt von der salzig-feuchten
Luft und von starken Regenfällen. Der sandhaltige Wind scheuert an den Farben
und am Verputz der dazwischengeklemmten kleinen Häuser. Selbst an
sonnendurchfluteten Tagen liegt eine leicht depressive Stimmung über dem
Gebiet, wie eine Nebelbank draußen über der See. An einem Tag wie heute, an dem
die ganze Stadt grau in grau getaucht war, waren die Schäbigkeit und der
Verfall besonders sichtbar.
    Die Adresse, die Linda mir gegeben
hatte, war ein Einlieger-Apartment im Erdgeschoß eines pinkfarben verputzten
Hauses. Ich läutete. Salzige Feuchtigkeit legte sich auf meine Wangen, während
ich wartete. Leise Schritte näherten sich der Tür. Ich sah in den Spion. Ein
dunkles Auge blickte mir entgegen. Dann rasselte die Sicherheitskette, und Tony
Nueva ließ mich ein. Rasch legte er die Kette wieder vor und drehte den
Schlüssel herum.
    Wir standen in einem engen, dunklen
Flur. Auf dem Boden lagen Läufer in verschiedenen Formen und Farben. Manche
überlappten sich und machten den Boden uneben. Es roch modrig und entfernt nach
Hund. Tony sagte nichts, sondern führte mich in ein Zimmer, in dem sich
lediglich eine Matratze und einer dieser Sitzsäcke befand, die in den
Sechzigern so beliebt waren. Es gab keine Küche, nur eine Herdplatte auf einem
kleinen Kühlschrank. Durch die Badezimmertür sah ich auf den Berg Geschirr im
Waschbecken. Nueva deutete auf den Sitzsack und ließ sich selbst auf die
Matratze nieder.
    Die Vorhänge am einzigen Fenster des
Apartments waren zugezogen und mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Das
Licht, das noch durch die Ritzen drang, reichte aus, mir einen ungewohnt mitgenommenen
Tony zu zeigen. Das dunkle Haar stand ihm struppig vom Kopf, die
blutunterlaufenen Augen hatten dunkle Ringe, und er roch nach Bier. Eine
Pyramide aus Budweiser-Dosen lehnte an der Wand.
    »Diesmal hat es dich also erwischt«,
sagte ich. »Was ist passiert an der Grenze? Hast du Drogen geschmuggelt?«
    Er machte eine müde Handbewegung.
»Keine Predigten, McCone. Fertigmachen kann ich mich selber, auch ohne Ihre
Hilfe.«
    »Und wer hat dich sonst noch
fertiggemacht?« In seinem Gesicht sah ich verschorfte Schnittwunden und
gelbgrün verfärbte Prellungen.
    »Bevor ich Ihnen das erzähle, brauche
ich ein paar Mäuse, damit ich aus der Stadt komme.«
    »Da kann ich vielleicht helfen. Aber
erst einmal muß ich hören, was du mir zu sagen hast.«
    »Scheiß drauf, McCone...«
    »Soll ich dir nun helfen oder nicht?«
    Er sah mich an und seufzte schließlich.
»Okay. Diesen Freitag vor zwei Wochen sind Sie wegen der Schmierereien zu mir
gekommen, nicht? Sie hatten recht, daß es leicht sein würde, den Kerl ausfindig
zu machen — wegen seiner roten Hände. Er heißt Enrique Chavez. Großer,
häßlicher Kerl und ziemlich blöd. Gab vor den Typen in diesem Motorradladen
damit an, daß das ein Auftrag von so einem hohen Tier ist und er jetzt mächtig
Geld scheffelt.«
    Nueva sah sich um, griff nach einer Bierdose
und schüttelte sie. Dann legte er den Kopf zurück und nuckelte den letzten Rest
heraus. »Ich also hin zu Chavez«, fuhr er fort. »Denke mir, wenn der, der ihn
angeheuert hat, wirklich ein hohes Tier ist, kann ich auch ein Geschäft machen.
Ich rede mit dem Kerl und erzähl ihm, daß Sie hinter den Schmierereien her
sind. Er sagt, alles klar, ich soll Ihnen nichts sagen, er will sehen, was
dabei herausspringt. Am nächsten Tag kreuzt er mit fünf Hundertern auf.«
    »Und dann?«
    »Ich hör ihm zu. Chavez ist wirklich
ein blöder Kerl. Reißt das Maul auf. Ich höre, daß noch ein paar Schmierereien
dazugekommen sind. Und Anrufe. Und dann höre ich von der alten Lady.«
    »Was hast du gehört?«
    »Nur den Namen. Benedict.« Nueva nickte
und zeigte mit dem Finger auf mich. »Den einen Tag erzählt Chavez von ihr. Am
nächsten ist sie tot. Jetzt weiß ich, daß ich einer heißen Sache auf der Spur
bin.«
    Offensichtlich hatte er nicht die
Morgenzeitung gelesen und keine Ahnung, daß Lis Benedict Selbstmord

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