Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
begangen
hatte. »Also bist du noch einmal zu Chavez gegangen«, sagte ich.
    »Nicht gleich. Ich habe ein paar Tage
darüber nachgedacht. Bin alles durchgegangen. Dann bin ich zu Chavez in den
Motorradladen gegangen. Großer Fehler. Chavez gibt zwei Kumpeln ein
Zeichen, und alle drei fallen über mich her. Diese Kerle — richtige Killer.
Kann also keinesfalls mehr in der Stadt bleiben, haue nach Süden ab. Und wenn
ich mich nicht von meinem verdammten Cousin Carlos hätte überreden lassen, ein
paar Kilo über die Grenze schaffen zu helfen, dann wäre ich jetzt noch da
unten.«
    Ich schwieg und dachte über das nach,
was er mir berichtet hatte. Wie ich schon zu Adah Joslyn gesagt hatte: Auch
wenn Lis Benedict Selbstmord verübt hatte, war sie doch buchstäblich in den Tod
getrieben worden. Ich mußte diesen Enrique Chavez haben — und die Person, die
ihn angeheuert hatte. »Du weißt, wo Chavez wohnt?« fragte ich.
    Nueva schüttelte den Kopf. »Wie gesagt,
er hängt da bei den Ace Bike Works herum, an der Siebzehnten, Nähe Folsom
Street. Aber gehen Sie nicht hin, McCone. Diese Kerle machen Sie zu
Hackfleisch.«
    »Kümmere dich mal um dich selbst,
Nueva.«
    »Tue ich doch. Warum habe ich Ihnen das
wohl alles erzählt? Wieviel kriege ich dafür?«
    »Die zwanzig Dollar, die ich dir
ursprünglich für die Information versprochen habe.«
    »McCone!« Großes Heulen und
Zähneklappern.
    »Du bist wieder im Geschäft, Tony. Du
hättest mir nicht einmal meinen Zehn-Dollar-Vorschuß zurückgegeben, wenn ich
dir nicht auf den Pelz gerückt wäre und gesagt hätte, her damit.«
    »McCone, ich muß raus aus der
Stadt. Wenn Chavez rauskriegt, daß ich es Ihnen erzählt habe, machen er und
seine Kumpel mich garantiert kalt.«
    »Das bezweifle ich. Chavez weiß nicht,
wo du steckst. Und ich werde es ihm nicht verraten, weil ich will, daß du genau
hier bleibst.«
    »Warum?«
    »Weil ich dich vielleicht brauche. Und
wenn ja, dann bezahle ich dich gut.«
    Nueva lächelte. Selbst mit einer
drohenden Anklage wegen Drogenschmuggels vor Augen ließ ihn die Aussicht auf
ein Geschäft wieder richtig aufleben.
     
    Ace Bike Works war kein großer Laden,
nur eine Garage unter einem baufälligen viktorianischen Haus an der Siebzehnten
Straße im Herzen des Mission District. Dort wurden sicher keine großen Geschäfte
gemacht. Als ich um zehn vor fünf in die Einfahrt bog, sah ich nur einen Mann
drinnen — einen rundköpfigen Latino im Overall, der den Boden fegte und den
Dreck auf die Straße beförderte. Er sah mich gleichgültig an, als ich aus dem
MG stieg, und kümmerte sich dann wieder um seinen Besen.
    Während ich auf ihn zuging, sah ich
mich in der Garage um. Sonst war tatsächlich niemand da. Es stand auch nur ein
Motorrad in der Garage — eine alte Harley-Davidson, die aussah, als wäre sie
seit Jahren nicht mehr verkehrstauglich. Der Mann hörte auf zu fegen, stützte
sich auf den Besen und sah mich mit stumpfem Blick an.
    »Enrique da?«
    Keine Reaktion.
    »Enrique Chavez?«
    Es war, als hätte ihn jemand
angeknipst. Sein Blick hellte sich unendlich langsam auf. »Enrique?« fragte er
zurück, und ich merkte, daß er etwas zurückgeblieben war.
    »Enrique Chavez«, sagte ich noch einmal
langsamer.
    »Nicht da.«
    »Wissen Sie, wo er wohnt?«
    Wieder keine Reaktion.
    »Sein Haus? Seine Adresse?«
    »Clipper Street?«
    »Nummer?«
    Kopfschütteln.
    »Querstraße?«
    »Sanchez?«
    »Danke.«
    Der Mann sagte nichts mehr, fegte bloß
weiter.
     
    Nach dem Telefonbuch in einer Zelle am
Bahnhof in der Sechzehnten Straße gab es in den Häusern der Clipper Street im
Bereich der Sanchez Street nur drei Chavez und nur einen mit dem Vornamen
Enrique. Ich rumpelte durch eine Serie Schlaglöcher zur angegebenen Adresse.
    Die Clipper Street ist die wichtigste
West-Ost-Verbindung von Twin Peaks über den Hügel zum Mission District, vor
allem auch, wenn man dann weiter zur Oakland Bay Bridge will. Ich habe lange
den Verdacht gehegt, daß die Anwohner unsere berühmte Pothole Patrol regelrecht
davon abgehalten haben, allzu häufig vorbeizukommen und die Löcher zu stopfen,
weil sie hofften, so den Verkehr zu vertreiben. Die Fahrbahn vor Chavez’ Block
war die schlimmste, und mein Rückgrat tat mir weh, als ich endlich gegenüber
von seinem viktorianischen Cottage anhielt. Die Farbe war schon vor langer Zeit
abgeblättert. Übriggeblieben war nur rissiges Holz. Wenn nicht bald etwas
geschah, würde das ehrwürdige Gebäude nur noch als

Weitere Kostenlose Bücher