Letzte Instanz
hatten wir eine eher
politische Klientel — Sozialisten, Anarchisten, Kommunisten. Das repressive
Klima damals zwang sie entweder in den Untergrund oder dazu, sich quasi zu
bessern. Und dann wurde es lebendiger bei uns. Wie Sie sehen, gefielen die mir
besser.« Er zeigte auf Allen, Jack und Lawrence.
»Eine wunderbare Zeit«, setzte er
hinzu. »Ich nehme an, Sie sind zu jung, um sich daran zu erinnern.«
»An was ich mich aus den fünfziger
Jahren erinnere, sind eher Hula-hoop-Reifen und Autos mit riesigen
Heckflossen.«
Mooney schnaufte. »Ja, das sind die
Dinge, an die man sich normalerweise aus den Fünfzigern erinnert. Und die
Sechziger — jeder identifiziert sie mit den Hippies, nicht mit ihren
intelligenteren Vorgängern. Die kurze Beat-Ära«, seine Augen glänzten im
Kerzenlicht, »was für eine fröhliche Zeit!«
»Ich dachte, Beat hieß soviel wie
kaputt-und-erledigt.«
Mooney streckte seine lange Nase vor
und sah mich streng an. »Junge Frau, da sind Sie aber ganz schlecht informiert.
Wie Kerouac einmal sagte: ›Beat bedeutet Glück für uns, beatitudo, nicht
auf die Pauke hauen.‹« Sein Blick wanderte ehrfürchtig zum Foto des Autors.
Hätte er gestanden, wäre jetzt wohl ein Kniefall fällig gewesen. »Die Beats
fühlten die Dinge. Sie gingen ihnen auf den Grund. Sie waren religiös, sie
haben überall Gott gesucht.«
Er hatte recht. Ich hatte falsche
Vorstellungen von dieser kurzen, aber historisch bedeutsamen Bewegung. Und ich
hätte auch gern mehr erfahren, aber mir fehlte die Zeit. »In meinem Fall ist es
Ihre erste Klientel, Mr. Mooney, über die ich mit Ihnen reden möchte. Vor allem
über eine Frau namens Melissa Cardinal und ihren Stiefbruder Roger Woods. Sie
könnten in den frühen Fünfzigern in Ihrem Cafe verkehrt haben, jedenfalls vor
sechsundfünfzig.«
Mooney schürzte die Lippen. Nach einer
Weile nickte er. »Ich erinnere mich an sie. Roger Woods war ein interessanter
Mann. Hatte mit Erfolg Politische Wissenschaft studiert und irgendwo an seiner
Dissertation gearbeitet. Dann gingen ihm seine Illusionen verloren, und er
brach ab. Ich glaube, seinem Vater war etwas zugestoßen, und das machte ihn
wütend auf die Gesellschaft und verbitterte ihn.«
»Und Melissa?«
»Die war weniger interessant. Stewardeß
bei einer Fluglinie. Angeblich war sie nebenbei ein bißchen als Kurier tätig —
Dokumente und solche Sachen. Aber im Rückblick... Wir waren damals alle
reichlich romantisch. Vielleicht hat Melissa diese Gerüchte selbst in die Welt
gesetzt, um nicht als eine bloße Luftkellnerin abqualifiziert zu werden.«
»Meinen Sie damit, daß sie und ihr
Bruder Mitglieder der Kommunistischen Partei waren?«
»Roger schon, viele Jahre lang. Bei
Melissa bin ich mir nicht sicher. Und Roger war als Mitglied auch nicht sehr
angesehen. Die Partei, vor allem nach der Verurteilung von elf ihrer Anführer
wegen Verletzung des Smith Act, im Jahr neunundvierzig. Roger war zu wild, zu
laut. Er setzte sich offen für einen gewaltsamen Sturz der Regierung ein. Ich
würde mich nicht wundern, wenn ihn die eigenen Parteigenossen umgebracht
haben.«
» Umgebracht ?«
»Das kam uns jedenfalls zu Ohren. Im
Sommer sechsundfünfzig, glaube ich. In Seattle. Es hieß, er sei in den Docks
erschossen worden. Die einen behaupteten, er habe versucht, Schauerleute für
die Partei zu werben. Andere behaupteten, er habe nach Rußland fliehen wollen.«
»Hat Melissa das eine oder andere denn
bestätigt?«
»Sie wollte über Roger nicht sprechen.
Nach ungefähr einem Jahr kam sie schließlich nicht mehr ins Café.«
»Was wissen Sie über eine junge Frau
namens Cordy McKittridge? Ist sie mal mit Melissa ins Unspeakable gekommen?«
Mooneys Augen weiteten sich. »Darum
geht es also — um diese ermordete junge Frau aus der feinen Gesellschaft. Ja,
sie war mit Melissa befreundet, und eine Zeitlang kam sie häufig. Aber das
endete im Frühjahr fünfundfünfzig, also lange vor ihrer Ermordung.«
»Ist sie immer mit Melissa gekommen
oder auch mal mit einem Mann?«
»Wo immer die beiden Mädchen
auftauchten, hatten sie eine Menge Männer im Schlepptau.«
»Aber an einen bestimmten erinnern Sie
sich nicht?«
»Da gab es einen Freund von Roger
Woods, aber der war in meinen Augen nur ein politischer Amateur, ein
Mitläufer.« Er brach ab. »Tut mir leid, ich kann mich an seinen Namen nicht
erinnern.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Nein. Wenn ein Mann direkt neben Cordy
McKittridge stand, nahm man kaum Notiz
Weitere Kostenlose Bücher