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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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verfilmt - und die beiden Folgeromane sollten eher gemischte Besprechungen bekommen und sich noch schlechter verkaufen. (Roman zwei und drei schafften es nicht einmal bis ins Taschenbuch, und die Filmrechte wollte ebenfalls niemand.) Doch all das kümmerte Danny nicht besonders, der sich in erster Linie bemühte, seinen Dad vor Schaden zu bewahren, und gleichzeitig versuchte, Joe ein guter Vater zu sein. Danny schrieb und schrieb einfach immer weiter. Er musste weiterhin an Colleges unterrichten, um sich und seinen kleinen Sohn über die Runden zu bringen, und dabei sagte er dem kleinen Joe immerzu: »Vielleicht meint der Kapitalismus es
eines Tages
gut mit uns.«
    Es war nicht besonders schwer gewesen, in Putney ein Haus zu finden, das groß genug war, um auch Dannys Vater aufzunehmen - und Carmella, falls sie je nach Vermont kommen würde.
    Es war ein ehemaliges Farmhaus an einer ungeteerten Straße, was Daniel gefiel, weil daneben ein Bach floss, den die Straße an einigen Stellen überquerte. Das Rauschen des Bachs erinnerte Daniel Baciagalupo an seine Heimat. Das Farmhaus stand ein paar Kilometer von dem Dorf Putney entfernt, das aus nicht viel mehr als einem Kramladen und einem Lebensmittelgeschäft namens Putney Food Co-op bestand, sowie einem kleinen Supermarkt mit Tankstelle schräg gegenüber der alten Papierfabrik an der Straße zum College. Als Danny die Papierfabrik zum ersten Mal sah, wusste er, dass sein Dad Putney nicht mögen würde. (Der Koch stammte aus Berlin in New Hampshire und konnte Papierfabriken nicht ausstehen.)
    Windham College war ein architektonischer Schandfleck in einer sonst wunderschönen Umgebung. Der Lehrkörper bestand aus einigermaßen anerkannten und auch weniger anerkannten Professoren und Dozenten. Windham hatte keine nennenswerten wissenschaftlichen Meriten vorzuweisen, doch einige der Dozenten waren recht gut und hätten an besseren Colleges und Universitäten unterrichten können, wollten aber in Vermont leben. Zahlreiche Studenten hätten wohl gar nicht studiert, wenn der Vietnamkrieg nicht gewesen wäre; ein vierjähriges Collegestudium war für wehrfähige junge Männer die einfachste Garantie für eine Zurückstellung vom Wehrdienst. Windham war eins dieser Colleges mit Vierjahreskursen; es war keine besonders würdige Institution, doch ihr Fortbestehen war zumindest so lange gesichert, wie sich der Krieg hinzog - und Dannys erster Job außerhalb eines Restaurants war gar nicht so übel.
    Danny hatte nicht viele Studenten, die sich ernsthaft fürs Schreiben interessierten, und die wenigen, die er hatte, waren für seine Ansprüche nicht begabt oder fleißig genug. In Windham konnte man sich glücklich schätzen, wenn sich die Hälfte der Studenten in einem Kurs wenigstens fürs
Lesen
interessierte. Doch als junger Autor, der sich glücklich schätzte, vor dem Vietnamkrieg gerettet worden zu sein, war Danny ein nachsichtiger Lehrer. Sein Ziel war, dass insbesondere die männlichen Studenten auf dem College blieben.
    Falls, wie Zyniker behaupteten, Windhams einzige Daseinsberechtigung darin bestand zu verhindern, dass ein paar junge Männer nach Vietnam mussten, hatte Danny Angel nichts dagegen. Er war so weit politisiert, dass er den Krieg verabscheute, und er war mehr Schriffsteller als Dozent. Danny war Windhams akademischer Ruf ziemlich egal. Für ihn war das Unterrichten nur ein Job - der ihm im Übrigen genug Zeit ließ, zu schreiben und ein guter Vater zu sein.
    Sobald er mit Joe das alte Farmhaus an der Hickory Ridge Road bezogen hatte, schickte er Ketchum die neue Adresse. Ihn kümmerte nicht, wer dem Holzfäller jetzt seine Briefe vorlas; vermutlich war es die Frau aus der Bibliothek, die Lehrerin, die Ketchum das Lesen beizubringen versuchte.
    »Für Dad ist hier jede Menge Platz«, schrieb Danny dem Holzarbeiter. Der Schriftsteller fügte auch seine neue Telefonnummer bei sowie eine Wegbeschreibung, sowohl für Besucher aus dem Coos County als auch für solche aus Boston. (Es war fast Ende Juni 1967.) »Vielleicht kommst du ja zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli vorbei«, schrieb Danny an Ketchum. »Falls ja, verlasse ich mich drauf, dass du das Feuerwerk mitbringst.«
    Ketchum war ein großer Feuerwerksfan. Einmal war ihm beim Angeln ein Fisch immer wieder entwischt. »Ich schwör's, das ist die größte verfluchte Forelle im Phillips Brook«, verkündete er, »und die schlauste.« Er hatte den Fisch - und eine beträchtliche Anzahl anderer Forellen - mit

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