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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nördlich an der Route 5. Wenn man nach links abzweigte, da, wo der Putney General Store stand - und die Putney Food Co-op mit dem sich selbst verstümmelnden Metzger »undefinierbaren« Geschlechts -, kam man nach Westminster West. An dieser Straße lag auch die Putney School - eine auf das College vorbereitende Schule oder Prep School, von der Danny nichts hielt, weil sie seinen Exeter-Academy-Ansprüchen nicht genügte -, und an der Hickory Ridge Road, wo der Schriftsteller Danny Angel damals noch wohnte, gab es eine private Grundschule, die sich Grammar School nannte und Dannys Ansprüchen durchaus genügte, so dass er Joe dorthin schickte.
    Joes schulische Leistungen dort reichten aus, um an der Northfield Mount Hermon angenommen zu werden - einer Prep School, an der Danny nichts auszusetzen hatte. Die nmh lag in Massachusetts, etwa eine halbe Autostunde südlich von Brattleboro und eine Stunde von Dannys Anwesen in Putney entfernt. Joe, der im Frühjahr 1983 dort die Abschlussklasse besuchte, sah seinen Dad und seinen Großvater ziemlich off.
    In der Wohnung des Kochs in Brattleboro gab es ein Gästezimmer, das immer für den Enkel bereitstand. Die Küche hatte der Koch herausgerissen (die Leitungen jedoch intakt gelassen) und an ihrer Stelle ein recht großzügiges Bad mit Blick auf den Connecticut River gebaut. Die große Badewanne erinnerte den Koch an die Wanne, die in Carmellas Küche in der Kaltwasserwohnung in der Charter Street gestanden hatte. Tony war sich zwar nicht hundertprozentig sicher, dass Danny Carmella beim Baden beobachtet hatte, er hatte aber alle fünf Romane seines Sohnes gelesen, und in einem davon kam eine üppige Italienerin vor, die es genoss, ausgedehnt zu baden. Der Stiefsohn dieser Frau war in einem Alter, wo er gerade erst anfing zu masturbieren, und das tat er ausgiebig, während er seine Stiefmutter beim Baden beobachtete. (Der pfiffige Knabe hatte zu diesem Zweck ein Loch in die Badezimmerwand gebohrt, denn bequemerweise lag sein Zimmer gleich nebenan.)
    Weit häufiger als diese kleinen, ihm vertraut vorkommenden Details fielen dem Koch jedoch Dinge auf, die sich sein Sohn eindeutig ausgedacht haben musste. Auch wenn Carmellas Badewannenauftritt Wiedererkennungswert hatte, so beruhte die Figur der Stiefmutter in dem bewussten Roman garantiert
nicht
auf Carmella. Auch entdeckte der Koch in Daniels Romanen höchstens oberflächliche Anklänge an sich selbst und an Ketchum. (In einem der Romane wurde beiläufig das gebrochene Handgelenk einer Nebenfigur erwähnt, in einem anderen Buch die Vorliebe des zweiten Protagonisten für den Ausspruch »Heiliger Dünnschiss!«.) Ketchum und Tony Angel hatten sich sogar mehrfach darüber unterhalten, wie auffallend es doch sei, dass in keinem einzigen von Dannys Romanen
irgendeine
Figur vorkam, in der sie ihren Daniel wiedererkannten.
    »Wo versteckt sich der Junge bloß?«, hatte Ketchum den Koch gefragt, denn sogar in Danny Angels viertem (und berühmtestem) Roman mit dem Titel
Die Kennedy-Väter
ähnelt die Hauptperson - die genau wie Danny dem Vietnamkrieg dank der Zurückstellung wegen Vaterschaft entging, die auch Danny nutzte - eigentlich kaum dem Daniel, den Ketchum und der Koch kannten und liebten.
    Es gab eine Figur in
Die Kennedy-Väter,
die auf Katie beruhte - Caitlin, wie sie im Buch hieß -, ein elfenhaftes kleines Ding mit einer übergroßen Neigung zu serienmäßiger Untreue. Diese Caitlin rettet eine wahrlich unglaubliche Anzahl von Kennedy-Vätern vor dem Vietnamkrieg. Die Caitlin-Figur verschleißt mehrere Ehemänner mit der gleichen Beiläufigkeit, wie Katie wahrscheinlich - jedenfalls nahmen das der Koch und Ketchum an - Blowjobs verabreicht hatte, doch Caitlin war keineswegs Katie.
    »Sie ist viel zu nett«, sagte Tony Angel zu seinem alten Freund.
    »Das kann man wohl sagen!«, pflichtete ihm Ketchum bei. »Am Ende
mag
man sie sogar!«
    Am Ende mochten auch alle ihre Exmänner Caitlin - oder sie kamen nicht über sie hinweg, was auf das Gleiche hinauslief. Und was die vielen Kinder anging, die nach der Geburt von ihrer Mutter verlassen wurden, so erfuhr der Leser nie, was
sie
von ihrer Mutter hielten. Der Roman schloss mit der Aufhebung der A-3-Zurückstellung durch Präsident Nixon und der Aussicht auf noch weitere fünf Jahre Krieg. Die Caitlin-Figur verschwand sang- und klanglos; im letzten Kapitel der
Kennedy-Väter
war sie die verlorene Seele. Man ahnt nichts Gutes, als sie plötzlich alle ihre Exehemänner anruft

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