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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Danny dagegen hatte nie erwartet, von Katie zu hören, doch der Schriftsteller in ihm hatte gedacht, sie würde vielleicht Kontakt zu ihrem Sohn aufnehmen.
    Mit 17 sah Joe Baciagalupo oft aus, als könnte er eine Rasur vertragen, und seine Gesichtszüge waren bereits so ausgeprägt wie bei einem Zwanzigjährigen, gleichzeitig hatten sie aber auch etwas Erwartungsvolles und Offenes, was ihn kindlicher wirken ließ und seinen Vater an den »kleinen« Joe von früher erinnerte. Vielleicht sagte deshalb Danny zu ihm: »Tut mir leid, dass du keine Mutter hattest oder ich keine Frau gefunden habe, die diese Rolle für dich ausgefüllt hätte.«
    »Aber es ist doch nicht nur eine
Rolle,
oder?«, fragte Joe seinen Dad. Er hielt immer noch den Brief in der Hand, in dem stand, dass seine Mutter an einer Überdosis gestorben war. Im Nachhinein dachte Danny, der 17-Jährige habe den Brief angesehen, als wäre er eine fremde Währung - eine exotisch aussehende Kuriosität, die ihm aber gegenwärtig nichts nützte. »Ich meine, ich hatte ja
dich -
du warst immer da«, fuhr Joe fort. »Und dein Dad, na ja, er ist für mich wie ein zweiter Dad. Und dann ist da noch Ketchum.«
    »Ja.« Mehr brachte Danny nicht heraus. Wenn er mit Joe sprach, wusste Danny manchmal nicht, ob er sich mit einem Kind oder mit einem erwachsenen Mann unterhielt. Dass er Joe verdächtigte, ihm Dinge zu verschweigen - war das immer noch die gleiche uralte Angst, die er schon als Zwölfjähriger ständig verspürt hatte? Oder lag es an den vielen Dingen, die der Koch und Ketchum ihm verschwiegen hatten?
    »Ich will mich nur vergewissern, dass es dir gutgeht«, sagte Danny zu Joe, doch der Siebzehnjährige - Kind, Mann oder beides - wusste bestimmt, dass sein Vater mit
gutgehen
viel mehr meinte als nur
gutgehen.
Der Schriftsteller meinte damit, dass Joe
Erfolg
hatte, und auch, dass er
sicher,
im Sinne von in Sicherheit, war, als könnten regelmäßige Vater-Sohn-Gespräche Joes Sicherheit garantieren (die des Kindes oder des Mannes). Aber, so überlegte sich Danny eines Tages, vielleicht war dies die spezielle Last eines Schriftstellers - dass nämlich die Besorgnis, die er als Vater empfand, mit der analytischen Arbeit verschmolz, mit der er die Figuren seiner Romane gestaltete.
    An dem Tag, als er Joe den Brief über Katie zeigte, fiel Danny Angel auf, dass Katies Tod etwas Hinter-den-Kulissen-Mäßiges, etwas Unwirkliches hatte. Der distanzierte Bericht eines Unbekannten bewirkte, dass Katie eine literarische Nebenfigur wurde. Und wenn Danny weiter mit ihr gesoffen hätte, hätte er genauso geendet - entweder in einem Unfall oder in einem Selbstmord, das Finale enttäuschenderweise hinter den Kulissen. Was das Trinken anging, so hatte sein Dad recht gehabt; ob man damit nicht umgehen konnte, war vielleicht wirklich, wie sein Vater es formulierte, »genetisch bedingt«.
     
    »Wenigstens hat er nichts über Rosie geschrieben - noch nicht«, schrieb Ketchum seinem alten Freund.
    Ehe der alte, inzwischen 66-jährige Holzfäller lesen lernte, hatten Tony Angel Ketchums Briefe besser gefallen. Die Frau, die Ketchum in der Bibliothek kennengelernt hatte - Ketchum nannte sie immer nur »die Schullehrerin« -, na ja, ihr Unterricht hatte zwar gefruchtet, doch jetzt, wo Ketchum lesen und schreiben konnte, war er noch griesgrämiger als zuvor, und der Koch war überzeugt, dass Ketchum nicht mehr so aufmerksam zuhörte wie früher. Wenn man nicht lesen kann,
muss
man zuhören; vielleicht hatte Ketchum auch die Bücher am besten verstanden, die er vorgelesen bekommen hatte. Jetzt beschwerte er sich über fast alles, was er las. Vielleicht fehlte Tony Angel auch Sixpacks Handschrift:. (Übrigens war Ketchum der Ansicht, auch der Koch sei griesgrämiger geworden.)
    Jedenfalls fehlte Danny Sixpack-Pams Einfluss auf Ketchum. Als Ketchum auf Pam angewiesen war, war er weniger einsam gewesen, als er Danny jetzt erschien, und Danny hatte Sixpacks Rolle als Mittlerin in seinem und Dominics Briefwechsel mit Ketchum längst akzeptiert.
    1983 war Danny 41. Wenn Männer vierzig werden, fühlen sie sich meistens nicht mehr jung, aber Joe - der 18 war - wusste, dass er einen relativ jungen Dad hatte. Selbst die Mädchen in Joes Alter auf der Northfield Mount Hermon (und auch jüngere) hatten dem Jungen gesagt, sein berühmter Vater sehe
sehr
gut aus. Schon möglich, dass Danny gut aussah, aber lange nicht so gut wie Joe.
    Der junge Mann war etwa zwanzig Zentimeter größer als sein

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