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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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- insbesondere vom größten aller Alpträume für Eltern, nämlich ein Kind zu verlieren. In einem Danny-Angel-Roman gab es immer jemanden (oder etwas), der (oder das) Kinder oder ein Kind verhängnisvoll bedrohte. Junge Menschen waren in Gefahr - und zwar zum Teil gerade
weil
sie jung waren!
    Tony Angel war kein großer Leser mehr, auch wenn er (auf Empfehlungen Dannys und Ketchums) zahllose Romane im Book Cellar gekauft hatte. Er hatte Unmengen erste Kapitel gelesen und dann einfach aufgehört. Etwas an Ketchums Beziehung zu Rosie hatte dem Koch das Lesen regelrecht ausgetrieben. Die
einzigen
Romane, die er wirklich zu Ende las - und zwar jedes Wort -, waren die seines Sohnes. Tony war nicht wie Ketchum, der alles gelesen (oder vorgelesen bekommen) hatte.
    Der Koch kannte die schlimmsten Ängste seines Sohns: Daniel hatte eine Heidenangst davor, dass den ihm nahestehenden Menschen etwas zustoßen könnte; von diesem Thema war er wie
besessen.
Daher rührte die furchtsame Phantasie des Schriftstellers - von kindlichen Ängsten. Der Schriftsteller Danny Angel konnte nicht anders, als sich das Schlimmste vorzustellen, was in einer Situation passieren könnte. Irgendwie war der Sohn des Kochs als Schriftsteller - also in seiner
Phantasie
- mit 41 noch immer ein Kind.
     
    In der stillen Küche in seinem geliebten Avellino betete der Koch, dass ihm sein sehnlicher Wunsch erfüllt wurde, noch ein wenig länger zu leben. Er wollte seinem Enkelsohn helfen, das Teenageralter zu überstehen. Vielleicht sind Jungs erst mit Ende 20 aus dem Gröbsten raus, überlegte Tony - schließlich war Daniel 22 gewesen, als er Katie heiratete. (Womit er zweifellos Risikofreude demonstriert hatte!) Und wenn Joe dreißig werden musste, ehe er in Sicherheit war? Und falls Joe etwas zustoßen sollte, so betete der Koch darum, dass er noch lebte, um sich um Daniel zu kümmern; er wusste, wie viel Hilfe sein Sohn dann brauchen würde.
    Tony Angel starrte auf das stumme Radio. Fast hätte er es angemacht, nur um diese schauerlichen Gedanken zu verjagen. Er überlegte, Ketchum zu schreiben, statt das Radio einzuschalten, doch er machte keins von beidem, sondern betete einfach weiter. Das Beten war wie aus dem Nichts über ihn gekommen, und er wünschte, er könnte damit wieder aufhören.
    In der Küche, neben seinen Kochbüchern, standen, chronologisch geordnet, verschiedene Ausgaben von Danny Angels Romanen. Danny wusste es zu schätzen, denn es gab für seine Romane keinen ehrenvolleren Platz als zwischen den Kochbüchern seines Dads. Doch der Anblick der Bücher seines berühmten Sohnes konnte den Koch nicht beruhigen.
    Der Koch wusste, nach
Familienleben im Coos County
hatte Daniel
Die Mickey
veröffentlicht, aber war das nun 1972 oder 1973 gewesen? Der erste Roman war Mr. Leary gewidmet gewesen, allerdings hätte die Zueignung in Anbetracht des Themas besser zum zweiten gepasst. Doch Danny hatte mehr oder weniger versprochen, seinen zweiten Roman seinem Dad zu widmen, und Wort gehalten. »Meinem Vater, Dominic Baciagalupo«, lautete die Widmung, was ein wenig verwirrend war, schließlich hieß der Autor Danny Angel - und Dominic nannte sich bereits Tony oder
Mr.
Angel.
    »Ist das nicht irgendwie so, als ließe man damit die Pseudonymkatze aus dem Pseudonymsack?«, hatte sich Ketchum beschwert, doch es hatte sogar sein Gutes gehabt. Als Danny mit seinem vierten Roman berühmt wurde, war das Problem, dass er unter einem Pseudonym schrieb, schon längst entschärft. In der literarischen Welt wusste fast jeder, dass Danny Angel ein Pseudonym war, doch kaum jemand erinnerte sich an seinen richtigen Namen - oder es war den Leuten egal. (Mr. Leary hatte recht behalten, als er erwähnte, es gäbe Namen, die man sich leichter merken könne als Baciagalupo, und wie viele Menschen - selbst in der literarischen Welt - wussten, wie John le Carre wirklich hieß?)
    Dass Danny seine Entscheidung gegenüber Ketchum mit den Worten verteidigt hatte, er bezweifle, dass der Hilfssheriff in der literarischen Welt verkehre, kam nicht überraschend; selbst der Holzfäller musste zugeben, dass der Cowboy kein großer Leser war. Außerdem hatte kaum jemand den Roman
Die Mickey
bei seiner Erstveröffentlichung gelesen. Erst als sein vierter Roman Danny berühmt machte und die Leser sich die früheren Bücher vornahmen, lasen alle
Die Mickey.
    Eine - allerdings wichtige - Nebenfigur in
Die Mickey
ist ein verklemmter Ire, der an der Michelangelo School Englisch

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