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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Englisch war ausgezeichnet, wie Danny fand; auch die Handlung war gut, obwohl gewisse koreanische Eigenheiten verwirrend blieben. (Was genau hatte es mit dem koreanischen Scheidungsrecht auf sich? Warum dieses absurde Theater,
so zu tun,
als wolle sie schwanger werden? Zumal Youn nach eigenen Aussagen die Pille nur widerwillig genommen hatte.)
    Der Ehemann - letztlich der Exmann, wie Danny annahm - in Youns Roman war eine Art Mischung aus Gangster und Geschäftsmann. Vielleicht war er ein gutbezahlter Auftragskiller, oder er beauftragte andere, subalterne Killer damit, die Drecksarbeit für ihn zu erledigen; bei seiner Lektüre von Youns unfertigem Roman hatte Danny das nicht herausgefunden. Dass der Ehemann gefährlich war - in Youns wahrem Leben
und
in ihrem Buch -, lag auf der Hand. Was die sexuellen Details betraf, konnte Danny nur spekulieren. Trotz Youns Versuchen, ihren Gatten zu dämonisieren, hatte man irgendwie Verständnis für ihn; der arme Mann hielt es für
seine
Schuld, dass seine durchtriebene Frau nicht schwanger wurde.
    Es war auch nicht hilfreich, dass Youn Danny nachts im Bett die übelsten Details ihrer erbärmlichen Ehe erzählte - insbesondere von dem unstillbaren Sexhunger ihres Mannes. (Er wollte dich ja auch
schwängern,
oder nicht?, hätte Danny sie am liebsten gefragt, ließ es aber sein. Vielleicht war Sex aber auch für Youn
und
für ihren unseligen Mann eine lästige Pflichtübung gewesen. Die Einzelheiten ihres Romans und was sie Danny im Dunkeln erzählte, verschwammen in seiner Erinnerung - oder war es ohnehin austauschbar?)
    Müsste der fiktive Ehemann, der kaltblütige Killer und Geschäftsmann ihres Romans, nicht anders heißen als ihr richtiger Exmann?, hatte Danny Youn gefragt. Was wäre, wenn ihr ehemaliger Angetrauter ihren Roman las? (Mal angenommen, sie fände einen Verlag.) Würde er dann nicht erfahren, wie sie ihn hinters Licht geführt hatte, wie sie während ihrer Ehe alles darangesetzt hatte,
nicht
schwanger zu werden?
    »Mein früheres Leben ist
vorbei«,
antwortete ihm Youn dunkel. Jetzt schien sie Sex nicht mehr als Pflichtübung zu betrachten, obwohl Danny manchmal auch darüber ins Grübeln kam.
    Mit ihren wenigen Habseligkeiten ging Youn außerordentlich penibel um. Ihre Toilettenartikel bewahrte sie sogar in dem winzigen Bad neben dem unbenutzten Zimmer auf, in dem sie schrieb, und ihre Kleidungsstücke im Schrank und in der einzigen Kommode besagten Zimmers. Als Youn einmal nicht da war, hatte Danny einen Blick in das Medizinschränkchen in ihrem Badezimmer geworfen. Dabei sah er ihre Antibabypillen - die sie sich in Iowa City hatte verschreiben lassen.
    Danny benutzte immer ein Kondom. Es war eine alte Angewohnheit - und keine schlechte, denn er hatte in der Vergangenheit gelegentlich mehr als eine Sexualpartnerin auf einmal gehabt. Doch Youn hatte ihm einmal, fast beiläufig, gesagt: »Danke, dass du Kondome benutzt. Ich habe in meinem Leben unendlich viele Antibabypillen geschluckt und möchte nie wieder welche nehmen.«
    Und doch
nahm
sie welche, oder? Nun, wenn Dannys Dad Yi-Yiing keine Fragen stellte, warum sollte Danny von Youn Antworten auf alles erwarten? War nicht auch ihr Leben kompliziert gewesen?
    In diese gleichgültige Welt ungestellter oder unbeantworteter Fragen - die nicht nur Asiatinnen betrafen, sondern auch einige langjährige Geheimnisse zwischen dem Koch und seinem Schriftstellersohn - brach ein blauer Mustang ein und machte ihnen allen (wenn auch nur vorübergehend) die unvorhersehbare Natur der Dinge deutlich.
    Samstags morgens im Herbst, wenn das Footballteam der Universität Iowa ein Heimspiel hatte, hörte Danny die Iowa-Kapelle spielen - ohne je zu wissen, wo. Wenn die Band im Kinnick Stadium probte, dort oben auf der anderen Flussseite, hätte er die Musik dann noch in so weiter Entfernung hören können, in der Court Street, im Osten der Stadt?
    Es war ein strahlend schöner Samstag, und Danny hatte Eintrittskarten besorgt, um mit Joe zu dem Footballspiel zu gehen. Er war früh aufgestanden und hatte dem Jungen Pfannkuchen gebacken. Am Freitagabend hatte der Koch noch spät im Mao's gearbeitet, und am Samstagabend nach einem Footballspiel würde es noch später werden. An diesem Morgen lag Dannys Dad noch im Bett, genau wie Yi-Yiing nach ihrer Spätschicht im Mercy Hospital. Danny rechnete nicht damit, die Pyjama-Lady vor dem Mittag zu sehen. Joes Freund Max aus der dritten Klasse der Longfellow-Grundschule, ein Professorensohn

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