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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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schweigen.
    »Joe fährt nicht mit dem Rad ins Zentrum, nur hier in der Gegend, und er schiebt sein Rad immer über die Straße«, teilte Danny dem Polizisten mit, der das nicht recht zu glauben schien. »Nein, wirklich«, beharrte der Schriftsteller. »Bei Max, dem Nachbarsjungen, bin ich mir nicht so sicher. Max' Eltern sind da wohl liberaler - was Max und das Fahrradfahren angeht, meine ich.«
    »Da sind sie ja«, sagte der Cop. Er hatte die Gasse im Auge gehabt und nach Joe und Max auf ihren Rädern Ausschau gehalten.
    Die beiden Achtjährigen schienen überrascht, Officer Colby in der Küche zu sehen; wie die typischen Drittklässler, die sie waren, und fast als tauschten sie eine geheime Botschaft, sahen sie zuerst rasch einander an und dann auf den Küchenboden.
    »Die Bierlaster-Kids«, sagte Colby. »Vielleicht solltet ihr beiden daran denken, dass der blaue Mustang überall in der Stadt gesichtet wurde.« Der Officer wandte sich an Danny und seinen Dad. »Das sind gute Jungs, aber sie lassen sich von den Bierlasterfahrern gern Aufkleber, Poster und diese Aufnäher schenken. Wenn ich die Jungs vor den Kneipen in der Innenstadt sehe, weise ich sie immer darauf hin, dass sie die Lokale nicht betreten dürfen, und gelegentlich muss ich ihnen verbieten, den Bierlastern von einer Kneipe zur nächsten zu folgen - mit dem Rad zumindest. Die Clinton und die Burlington Street sind für Radfahrer besonders gefährlich.«
    Joe konnte weder seinen Dad noch seinen Großvater ansehen. »Die Bierlaster-Kids«, wiederholte der Koch.
    »Ich muss nach Hause«, sagte Max, und schwupps! war er weg.
    »Wenn ich die beiden im Stadtpark sehe«, fuhr Colby fort, »sage ich ihnen, hoffentlich fahrt ihr mit den Rädern nicht auf der Dubuque Street. Es ist sicherer, die Fußgängerbrücke hinter dem Studentenwerk zu nehmen und auf der Flussseite zu fahren, wo das Hancher Auditorium steht. Aber so braucht man wohl länger zum Park oder zum Zoo, stimmt's?«, fragte Officer Colby Joe. Der Junge nickte nur; er wusste, dass er aufgeflogen war.
    Sehr früh am nächsten Morgen, als Youn noch tief schlief und Yi-Yiing von ihrer Nachtschicht noch nicht nach Hause gekommen war, ging Danny in Joes Zimmer und betrachtete den Achtjährigen, der inmitten einer Art »Bierschrein« schlief. »Wach auf«, sagte er zu seinem Sohn und schüttelte ihn leicht.
    »Ist es für die Schule nicht noch zu früh?«, fragte Joe.
    »Vielleicht gehst du heute nicht in die Schule«, sagte sein Vater. »Wir sagen einfach, du wärst krank.«
    »Aber ich fühl mich gut«, widersprach der Junge.
    »Steh auf und zieh dich an, Joe, dir geht's
nicht
gut«, sagte sein Dad. »Du bist tot - du bist schon gestorben.«
    Sie verließen das Haus ohne Frühstück und gingen zur Muscatine Avenue. Frühmorgens war immer viel Verkehr auf der Muscatine, die weiter vorn zur Iowa Avenue wurde, eine mehrspurige Schnellstraße mit grasbewachsenem Mittelstreifen.
    Als Joe noch ein Baby war und dann ein Kleinkind und Danny mit Katie im unteren Apartment eines Zweifamilienhauses an der Iowa Avenue wohnte, hatte sich das junge Paar über den Verkehrslärm beklagt; die Häuser an dieser Straße waren damals vor allem gehobene Unterkünfte für ältere Semester oder finanziell bessergestellte Studenten im Grundstudium gewesen (darunter das Haus einer besonders wüsten Studentinnenverbindung, näher in Richtung Campus und Zentrum gelegen). Doch als Danny im Herbst 1973 mit seinem Sohn zur Iowa Avenue ging, waren die Häuser entlang der baumbestandenen Hauptstraße sogar noch teurer; hier wohnten nun Dozenten und wahrscheinlich auch einige ordentliche Professoren. »Ist das nicht die Straße, wo du mit Mom gewohnt hast?«, fragte Joe seinen Dad, als sie in Richtung Campus und Innenstadt gingen.
    »Wo
wir
mit Mom gewohnt haben, wolltest du sagen - ja, das stimmt«, antwortete Danny. Zwischen den Querstraßen Johnson und Gilbert Street erkannte der Schriftsteller das einstöckige Haus mit den grauen Schindeln wieder, dessen Erdgeschossapartment er mit Katie und ihrem gemeinsamen Söhnchen geteilt hatte. Inzwischen war das Haus gestrichen worden - in den sechziger Jahren waren die Schindeln blassgelb gewesen - und diente wahrscheinlich als Einfamilienhaus.
    »Das graue?«, fragte Joe, weil sein Dad auf dem Gehsteig vor dem Haus stehen geblieben war, auf der Seite der Straße, auf der man in Richtung Zentrum fuhr. Jetzt hatte die Zahl der Autos zugenommen, die von der Muscatine in die Iowa Avenue

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