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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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waren. Wie Max hatte auch die würdevolle alte Dame den blauen Mustang schon früher in der Gegend gesehen - aber nie den Fahrer.
    »Was ist es für ein Blau?«, fragte Danny sie.
    »Kein gewöhnliches Blau - es ist
zu
blau«, lautete ihre Antwort.
    »Das ist eine Speziallackierung, Mr. Angel, hab ich Ihnen doch gesagt«, schaltete sich Max ein.
    »Dir ist nichts passiert, dir ist nichts passiert«, sagte Yi-Yiing immer wieder zu Joe. Sie tastete den Jungen am ganzen Körper ab. »Du hast dir doch nicht am Kopf weh getan, oder?«, fragte sie ihn; er schüttelte den Kopf. Dann fing sie an, ihn zu kitzeln, vielleicht um sie beide abzulenken. An diesem Morgen war ihr Hongkonger Pyjama in einem fluoreszierenden Fischschuppengrün gehalten.
    »Es ist alles gut, nicht wahr?«, fragte Youn Danny. Die geschiedene Koreanerin wollte zurück an ihren Schreibtisch und weiterschreiben.
    Nein, es ist nicht alles »gut«, dachte der Schriftsteller Danny Angel - nicht solange der fahrerlose blaue Mustang frei durch die Gegend raste -, doch er lächelte sie (Youn war ebenfalls barfuß, trug aber ein T-Shirt und Jeans) und seinen besorgt wirkenden Vater an. Offenbar war der Koch im ersten Stock nackt in den Flur gehumpelt, ehe er merkte, dass er nichts anhatte, er trug nämlich nur eine von Dannys kurzen Sporthosen, die Danny oben aufs Treppengeländer gelegt hatte.
    »Willst du 'ne Runde joggen, Paps?«, fragte Danny seinen Dad. Das neue Wort kam beiden merkwürdig selbstverständlich vor, als ob die Gefahr, der sie soeben entronnen waren, einen Wendepunkt oder einen Neuanfang in ihrer beider Leben und in dem des jungen Joe markierte. Vielleicht war es auch so.
     
    Der Polizist hieß Colby.
»Officer
Colby« nannte ihn der Koch in der Küche des Hauses in der Court Street nur - vielleicht aus spöttischem Respekt für jenen anderen Polizisten in seinem Leben, lang war's her. Von dem miesen Haarschnitt einmal abgesehen, hatte der junge Cop in Iowa City keinerlei Ähnlichkeit mit Carl. Colby hatte helle Haut, skandinavisch blaue Augen und einen sauber gestutzten blonden Schnauzer; er entschuldigte sich, dass er nicht früher auf Dannys Anruf wegen des rücksichtslosen Fahrers reagiert habe, doch an den Wochenenden, wenn die Footballmannschaff der Uni ihre Heimspiele hatte, sei die Polizei immer sehr beschäftigt. Das Auftreten des Polizisten war freundlich und ernsthaft zugleich - Danny fand ihn auf Anhieb sympathisch. (Nebenbei bemerkte der Schriftsteller, wie aufmerksam der Polizist war; Colby hatte einen Blick für Details wie die Bieraufkleber am Kühlschrank.) Officer Colby erzählte Danny und seinem Dad, er habe bereits früher Meldungen über einen blauen Mustang erhalten. Wie Max gesagt hatte, sei der Wagen wahrscheinlich ein Spezialmodell, es gebe aber einige Unstimmigkeiten bei den Zeugenaussagen.
    Die Kühlerfigur war entweder der Original-Mustang oder - laut einer hysterischen Hausfrau auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der Nähe der Kreuzung Fairchild und Dodge Street - die obszöne Variante eines Zentauren. Andere Zeugen wollten eindeutig ein Nummernschild aus einem anderen Bundesstaat erkannt haben, während ein Student, der mit seinem Motorrad von der Dubuque Street gedrängt worden war, aussagte, der blaue Mustang habe zweifellos ein Kennzeichen aus Iowa. Wie Officer Colby dem Koch und seinem Sohn berichtete, lag keine Beschreibung des Fahrers vor.
    »Die Jungs mussten jeden Moment aus der Schule kommen«, sagte Danny dem Cop, der einen höflichen Blick auf seine Uhr geworfen hatte. »Sie können mit ihnen reden. Ich habe nur einen ungewöhnlichen Blauton gesehen.«
    »Darf ich das Zimmer Ihres Sohns sehen?«, fragte der Polizist.
    Eine merkwürdige Bitte, fand Danny, sah aber keinen Grund, ihr nicht zu entsprechen. Es dauerte nur einen Moment, und Colby äußerte sich nicht zu den Bierplakaten; dann gingen die drei Männer wieder in die Küche, um auf die Jungs zu warten. In der Gasse, wo der Mustang die beiden fast angefahren hätte, könne man laut Officer Colby »unter normalen Umständen« gefahrlos Rad fahren. Doch offenbar teilte der Polizist Yi-Yiings generelle Bedenken, was Kinder auf Fahrrädern in Iowa City betraf. Es sei besser, wenn Kinder zu Fuß gingen oder den Bus nähmen - jedenfalls sollten sie mit dem Rad nicht ins Zentrum fahren. Immer mehr Studenten seien mit dem Auto unterwegs, viele davon seien neu in der Universitätsstadt, von den zahlreichen Auswärtigen an Sportwochenenden ganz zu

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